Wucher mit Obdachlosen

■ Stadtdirektoren-Villa billiger als Obdachlosenheime / Minister greift ein

Meckenheim (taz) – Als der Düsseldorfer Innenminister Herbert Schnoor im vergangenen Jahr die Fernsehbilder aus einer Obdachlosenunterkunft im rheinischen Meckenheim sah, da mochte er seinen Augen zunächst nicht trauen. Eine siebenköpfige Familie wurde da gezeigt, in einer muffigen, feuchten, 68 Quadratmeter großen Wohnung. Für diese bedrückende Enge kassierte die Stadt eine „Nutzungsentschädigung“ von 1.178,44 Mark im Monat – 17,33 Mark pro Quadratmeter. Viel billiger war dagegen ein städtisches Anwesen im Meckenheimer Villenviertel. Das edle Haus mit herrlichem Garten und Doppelgarage brachte der Stadt gerade einmal zehn Mark Mieteinnahmen pro Quadratmeter. Mehr muß Johannes Vennebusch, Meckenheims christdemokratischer Stadtdirektor, für seine Dienstvilla auch heute noch nicht zahlen.

Inzwischen hat Schnoor seinen Ärger über die Abzocker von Meckenheim in einen Erlaß gegossen. Nach den Feststellungen des Innenministeriums hat die Stadt Meckenheim „bei der Festsetzung der Benutzungsgebühr den Belangen des Gemeinwohls keine ausreichende Bedeutung beigemessen“. Der Regierungspräsident in Köln wurde deshalb angewiesen, die Stadt Meckenheim aufzufordern, „die Gebühr für die Benutzung der Obdachlosenunterkünfte zu senken“. Der Kölner Regierungspräsident hält die bisherigen Nutzungsgebühren nach den Worten seines Sprechers Udo Kotzea für „eindeutig rechtswidrig“. Sie seien „ein Unding“.

Seit dem 1. 1. 1994 gilt in Meckenheim eine neue Gebührenordnung für Obdachlosenunterkünfte. Acht Mark Grundgebühr pro Quadratmeter müssen Obdachlose nun zahlen – plus 67,55 Mark pro Person für sogenannte „verbrauchsabhängige Bewirtschaftungskosten“ (Nebenkosten). Umgerechnet auf den Quadratmeterpreis, erhöht sich die Gebühr dadurch nach Auskunft des stellvertretenden Meckenheimer Stadtdirektors, Lorenz Zopes, um rund 6,40 Mark. Insgesamt liegt die Nutzungsentschädigung damit bei 14,40 Mark pro Quadratmeter Wohnfläche. Zopes hält den Preis für völlig in Ordnung und für „kompatibel“ mit den Schnoor- Anforderungen, die er aber bisher nur vom Hörensagen kennt. Ursel Schmidt, im Meckenheimer Rat die Grünen vertretend, hält diesem Gerede nüchterne Zahlen entgegen. Während die Stadt einer normal zur Miete wohnenden fünfköpfigen Familie für Wasser, Strom, Müll- und Kanalkosten pro Jahr rund 2.050 Mark in Rechnung stellt, zockt sie einer gleichgroßen obdachlosen Familie 4.053 Mark für Nebenkosten ab. Und das für Wohnungen, die trotz Renovierungen, so Schmidt, „nach wie vor feucht und klamm sind“. Aus eigenem Einkommen müssen die meisten Obdachlosen für diese Horrorkosten wegen der grassierenden Arbeitslosigkeit in der Regel nicht aufkommen. Wer aber nicht ausschließlich von der Sozialhilfe lebt, muß laut Stadtdirektor „anteilig die erhobene Gebühr tragen“. Für die Stadt Meckenheim machen die Luxuspreise in jedem Fall Sinn, denn für die gesamte Sozialhilfe kommt der Kreis Rhein- Sieg auf. Obdachlose dienen so der Entlastung des Stadtsäckels.

Der Stadtdirektor darf unterdessen weiter für 10 Mark pro Quadratmeter das Leben in der Dienstvilla genießen. Wenn man seinen Stellvertreter Zopes auf diese sozialpolitischen Differenzierungen anspricht, erntet man Belehrungen. Wer hier von Ungerechtigkeit spreche, vergleiche „Äpfel mit Birnen“, denn die „gesetzlichen Vorgaben und die Dienstwohnungsverordnung des Landes legen den Mietpreis für den Stadtdirektor fest“. Die Rechtslage sei eben so. Sollte Schnoor am Ende die „Belange des Gemeinwohls“ falsch verstanden haben? Ist Meckenheim vielleicht überall im Lande? Walter Jakobs