■ Normalzeit
: Hoch- und Tiefverrat

Jens-Uwe Heuer, ein sympathisch-hagerer-grauhaariger Kommunistik-Professor, erwähnte neulich in einer Rede den merkwürdigen Berufsverbots- Fall Ellen Brombacher: Die frühere FDJ- und SED-Funktionärin hatte nach der Wende einen neuen Job als Küchenhilfe im öffentlichen Dienst dieser Stadt gefunden. Sie mußte sich dort jedoch einer Art Loyalitätsausschuß stellen, der ihr dann mit der Begründung kündigte: „In ihrer glatten, gradlinigen Parteikarriere haben Sie sich engagiert für die Ziele des SED-Regimes eingesetzt... Ihre Bedenken gegenüber dem neuen politischen System, wie Sie sie in der Anhörung äußerten, und Ihre Anmerkungen zum SED-Regime sind nicht geeignet, eine vollständige Neuorientierung erkennen zu lassen... All dies schließt eine Tätigkeit als Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung aus...“ Als Küchengehilfin – wie ich schon sagte. Ellen Brombacher hat darüber mittlerweile ein Buch geschrieben.

Nachdem Steffen Heitmann seine Bundespräsidentschaftskandidatur aufgegeben hatte, bot ihm die gründlich gewendete Karl-Marx-Universität Leipzig an ihrer juristischen Fakultät die Ehrendoktor-Würde an. Eine studentische Tutorin an der JurFak verfaßte daraufhin ein kritisches Flugblatt – und verlor prompt ihre Anstellung: wegen erwiesener „Illoyalität“.

Die „Illoyalität“: Als ich zwei abgewickelten Gesellschaftswissenschaftlerinnen der ZK-Akademie, die jetzt ABM-Jobs haben, davon erzählte, ließen sie sich dieses Wort genüßlich mehrmals im Munde zergehen. Sie waren fast beeindruckt. Und es stimmte obendrein.

Oder sagen wir so: Im bürgerlichen Staat bekommen gute Kommunisten zwar keinen Krebs, aber sie neigen zum Hochverrat (in ihrem eigenen dagegen zum Tiefverrat).

1927 erstellte das Reichskommissariat zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (RKO) eine schwergeheime „Denkschrift über die hochverräterische Betätigung des z.Z. bestehenden ZK der KPD“ (pfui!). Kurze Zeit später veröffentlichte die Rote Fahne bereits das Dokument, das ihr von Sachbearbeitern im RKO zugespielt worden war (bravo!). Ich will damit sagen: Die von Illoyalität begründeten Berufsverbote sind genaugenommen eigentlich eine Selbstverständlichkeit, eine Art Auszeichnung. Und so verstanden auch viele DKPler in den Siebzigern durchaus ihre Entfernung – aus den Schulämtern beispielsweise.

Unsere Solidarität mit den aus der Hochschule entfernten Marxisten und „MLern“ sollte sich deswegen in Grenzen halten: Anderswo, außerhalb des „Campus“ – wie man heutzutage schwachsinnigerweise sagt – sind sie weitaus besser positioniert. Das ahnte neulich bereits Hubert Burda mittenmang in seiner Bunten- Truppe – und warnte uns alle vehement vor diesem deklassierten Intelligenz-Potential, das sich derzeit im Osten zusammenbraut.

Auch diese Leute widmen sich übrigens zumeist der Veröffentlichung ihrer Geschichten oder neuesten Forschungsergebnisse. Manchmal hapert es dabei jedoch noch arg mit dem Vertriebssystem (Beispiel: Zeitschrift Initial). Da haben es die für die Wende reihum ihre Autorenschaft anmeldenden (Staats-)Bürgerrechtler einfacher: Ihre Druckwerke verstopfen in dieser Büchersaison geradezu die Regale. In den linken Buchhandlungen hat das bereits zu einer eigenen Abteilung geführt – nach „AKWs“, „Frauenbewegung“, „Homosexuelle“ und „New Age“.

1985 standen übrigens in der von Daniel Cohn-Bendit geleiteten Frankfurter Karl-Marx- Buchhandlung die Judaica-Bücher noch in der Abteilung „Naher Osten“. Soviel zum Fortschritt in der Identitätsfindungs- Forschung – als Teil eines business as usual. Helmut Höge

Wird fortgesetzt