"Gastrecht verwirkt"

■ Innensenator Heckelmann prüft die Ausweisung von Kurden / SPD ist dagegen / Ausweisung heißt nicht sofort Abschiebung

Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) läßt derzeit prüfen, ob Kurden, die bei Protestaktionen Ende März Straftaten begangen haben, ausgewiesen werden können. Dies teilte gestern sein Pressesprecher Norbert Schmidt mit. „Wir prüfen gegenwärtig, ob im Einzelfall Hindernisse für eine Ausweisung vorliegen“, sagte er in bezug auf die sechs Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Bereits am 22. März hatte Innensenator Heckelmann einen harten Kurs eingeschlagen: „Wer als Ausländer sein Gastrecht in Deutschland durch die Ausübung von Gewalt und durch Verstöße gegen Recht und Gesetz mißbraucht, hat es verwirkt. Solche Straftäter müssen unter Nutzung aller rechtlichen Möglichkeiten abgeschoben werden.“

Rechtsanwalt Peter Meyer wies darauf hin, daß ein Ausweisungsbescheid noch lange nicht bedeutet, daß der Betroffene auch abgeschoben wird. Kann er darlegen, daß ihm in der Türkei Folter droht, könne er eine Duldung erhalten. Die Entscheidung hierüber liege bei den Gerichten. Für die Frage, ob er abgeschoben werden dürfe, sei neben der Dauer des Aufenthalts in der BRD und der familiären Situation auch der aufenthaltsrechtliche Status entscheidend. Anerkannte Asylbewerber könnten beispielsweise nur aufgrund schwerwiegender Taten wie Spionage, Mord oder Heroinhandel abgeschoben werden. Einen derartigen Fall habe es seines Wissens in Berlin nie gegeben, sagte der ausländerpolitische Sprecher der SPD, Eckhardt Barthel. Für kurdische Immigranten mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis könne eine Ausweisung zur Folge haben, daß ihr Aufenthalt nicht verlängert wird, erläuterte Meyer.

SPD-Politiker Barthel erklärte, wenn der Innensenator eine Ausweisung plane, werde sich seine Partei sofort einschalten. „Das Risiko, Kurden in die Türkei abzuschieben, ist viel zu hoch, als daß wir das verantworten könnten.“ Er lehne es auch ab, die Verantwortung dafür auf Richter abzuwälzen, diese Frage müsse politisch gelöst werden.

Wie viele Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Protestaktionen von Kurden noch bei der Polizei anhängig sind, wollte Polizeipressesprecher Bernd Mollenhauer gestern nicht mitteilen. Er deutete lediglich an, daß die Betroffenen überwiegend in Berlin gemeldet seien und gegen sie auch noch wegen anderer Delikte ermittelt werde. Dabei handelt es sich vermutlich um eine mögliche Zugehörigkeit zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Vier Personen stehen im dringenden Verdacht, schweren Landfriedensbruch begangen zu haben, erklärte Justizpressesprecher Frank Thiel. Ein Heranwachsender, dem Landfriedensbruch vorgeworfen wird, sei gestern freigelassen worden. Damit befinden sich noch zwei Personen in Untersuchungshaft. Dazu gehört auch der Kurde, der sich bei der Aktion vor der TU- Mensa am 20. März schwere Brandverletzungen zugezogen hatte und immer noch im Krankenhaus liegt. „Der anfängliche Eindruck, er habe sich selbst angezündet, hat sich recht schnell zerschlagen“, erläuterte Thiel. Ein Zeuge habe ausgesagt, daß es beim Auffüllen von Molotowcocktails zu einer Verpuffung gekommen sei. Dorothee Winden