■ Schnittplatz: „De-Luxe-Mitbürger“
Man kann sich über den neuen Rep-Pep der Springerzeitung Die Welt aufregen oder die Junge Freiheit zur „rechten taz“ hochschreiben. Verglichen mit dem Burda- Magazin Focus und seiner Auflage von fast 500.000 Exemplaren jedoch sind beide eher exotische Existenzen am rechten Rand von Pressedeutschland. Das bunte Produkt aus München, das sich selbst „modern“ nennt, mauserte sich innerhalb eines Jahres zur Zeitschrift für „moderne“ Rassisten. Neben dem Wahlkampfthema „Ausländerkriminalität“ hat Focus in der neuesten Ausgabe (14/94) nun die „brisante“ multikulturelle Gesellschaft entdeckt. „Wer von ihr träumt, der hantiert mit dem Streichholz im Benzinkanister“, vermeldet das Magazin mit der Stimme seines Herrn Schäuble. Der Artikel, der sich mit der geplanten Aufnahme des Minderheitenschutzes ins Grundgesetz befaßt, warnt in demagogischem Ton davor, jeder Ausländergruppe die Identität anzuerkennen. Dies bedeute den „Verzicht“ auf „Integration ins deutsche Volk“. Außerdem könne zuviel Anerkennung zur „Freigabe der doppelten Staatsbürgerschaft“ führen: „Künftig würden Ausländer mit zwei Pässen, wenn sie Minderheitenstärke erreichen, zu De-Luxe- Mitbürgern mit Sonderrechten.“
Der rassistische Tonfall setzt sich in anderen aktuellen Focus-Artikeln fort: Eine Kalifornien-Reportage rückt die „Rassenunruhen“ von L.A. in eine Reihe mit Erdbeben, Buschfeuern und Schlammlawinen. Und dann sind da noch die Latinos, die illegal über die Grenze kommen: „Junge Paare, ganze Familien, gewiß auch schwangere Frauen, die ihr Baby auf der anderen Seite austragen wollen, um in den Genuß von US-Sozialleistungen zu kommen.“ Merke: „Für jeden Weißen, der Kalifornien verläßt, rücken fünf Latinos nach.“ Das ganze Heft ein Plädoyer gegen Multi-Kulti, egal wo der Leser aufschlägt: Kurden, die Kindern Gewalt antun. Prügelnde Koranlehrer. Schwarze, Hispanics und Asiaten, die „Rassisten aus Begeisterung“ sind. Am Ende dann die gute Nachricht: Eine internationale Umfrage hat ergeben, wer global am fittesten in Sachen Allgemeinwissen ist: „Die Deutschen wissen am besten Bescheid.“ Dank Focus.Hans-H. Kotte
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