Peking bestätigt Festnahme von Wei

■ Polizei spricht von „neuen Straftaten“ des Dissidenten / Frankreichs Premier reist zum Staatsbesuch nach Peking

Peking (AP/AFP) – Die chinesische Führung hat gestern die erneute Festnahme des führenden chinesischen Regimekritikers Wei Jingsheng bestätigt. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua verbreitete eine Erklärung der Polizei, wonach Wei verdächtigt wird, „neue Straftaten begangen zu haben“. Der 43jährige habe das Gesetz „in vielen Fällen“ gebrochen. Die Schwester des Dissidenten, Wei Ling, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Polizei habe das Büro ihres Bruders durchsucht und zahlreiche Unterlagen mitgenommen. Wei, der im September 1993 aus seiner Haft entlassen worden war, war seit Freitag verschwunden.

Der Leiter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch/Asia in Hongkong, Robin Munro, betonte gestern, die Erwähnung von möglichen „Straftaten“ ziehe nicht unbedingt eine Anklageerhebung mit sich. Es könne sein, daß die chinesische Führung andere Dissidenten warnen oder die Reaktion der USA ausloten wollte.

Unterdessen nahmen patrouillierende Polizisten auf dem Platz des Himmlischen Friedens einen Mann fest, der einen Kranz zum Gedenken des fünften Jahrestages des Massakers an Demonstranten im Juni 1989 niederlegen wollte. In den letzten Jahren hatten am 5.April, dem chinesischen Feiertag der Totenehrung, immer wieder Menschen öffentlich der Toten des Blutbades gedacht. Ein weiterer Dissident wurde unter Hausarrest gestellt.

Morgen soll der französische Premierminister Edouard Balladur zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Peking eintreffen und damit die Normalisierung der Beziehungen zwischen Frankreich und China besiegeln. Der erste offizielle Aufenthalt eines französischen Regierungschefs in China seit 14 Jahren soll zugleich das Signal für eine Belebung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern sein. Das Verhältnis zwischen Peking und Paris war Ende 1992 wegen der Lieferung von 60 französischen Kampfflugzeugen an Taiwan gestört. Französische Unternehmen bekamen seither keinen der Großaufträge, die das im Wirtschaftsboom befindliche China zu vergeben hatte. Mit einem gemeinsamen Kommuniqué, das den Territorialanspruch der Volksrepublik China auf Taiwan anerkannte, hatten die beiden Staaten am 12. Januar dieses Jahres ihre Differenzen beigelegt. Rund 70 französische und chinesische Bürgerrechtler sowie zwei Menschenrechtsorganisationen haben Balladur gemahnt, die Frage der Menschenrechte in Peking nicht auszuklammern.