■ Mit dem Bodenschutz auf du und du
: Nutz statt Schutz

Berlin (taz) – Das von der Bundesregierung für diese Legislaturperiode versprochene Bodenschutzgesetz ist erst mal abgestürzt. Die Bundesländer und verschiedene Bonner Ministerien haben die Beratungen soweit verzögert, daß an eine ordnungsgemäße Verabschiedung nicht mehr zu denken ist. Sie hatten Angst, das selbst der zahnlose Entwurf aus dem Hause Töpfer noch erhebliche Kosten für die Länder und Auswirkungen auf die Ansiedlung neuer Industrien haben könnte. Weil mehr Verwaltungspersonal notwendig und die Finanzierung ungeklärt sei, hat Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) den Gesetzentwurf gestern denn auch als „aberwitzig“ eingestuft.

Strittig waren in den dreijährigen Beratungen vier Punkte: Hat künftig der Schutz des Bodens als Lebensraum für Tiere und Pflanzen Vorrang vor der wirtschaftlichen Nutzung? Die Antwort im letzten Entwurf: Im Prinzip nein, wohl aber, wenn „das Wohl der Allgemeinheit“ gefährdet ist.

Zweitens: Welche Flächen werden durch das generelle Bodenschutzgesetz nicht geschützt? Antwort: Die meisten. Das Bodenschutzgesetz sollte auch künftig nicht gelten, wo Bund, Länder und Gemeinden Straßen bauen wollen. Auch wenn neben den Straßen der Boden mit Blei, Dioxin und Kohlenwasserstoff vergiftet wird, bliebe dies erlaubt. Landwirte dürfen auch weiter Pestizide und Kunstdünger nutzen, soweit dies geltende Gesetze zulassen. Schließlich wurde geklärt, daß nicht Umweltbehörden, sondern Baubehörden über die Bebauung von Flächen unter Berücksichtigung des Bodenschutzes entscheiden dürfen.

Drittens: Wer kommt für die Finanzierung von Schutzmaßnahmen und Altlasten auf? Bei Flächenstillegungen in der Landwirtschaft müßten nach dem bisherigen Sachstand die Länder zahlen. Das wollen sie aber nicht. Und auch Finanzminister Theo Waigel hat deutlich gemacht, daß er für die Finanzierung nicht zuständig sei – dann werde eben nichts aus dem Gesetz.

Viertens: Mit welchen Grenz- und Eingreifwerten wäre nach einer Verabschiedung des Gesetzes zu rechnen? Das blieb unklar.

Die vom Gesetz ermöglichten Verordnungen könnten aber die Neuansiedlung von Industrien in schon belasteten Gebieten erschweren oder gar unmöglich machen. Das rief die vereinige Wirtschaftslobby auf den Plan.

Die Umweltverbände auf der anderen Seite weinen der Beerdigung des zuletzt diskutierten Entwurfs auch keine Träne nach. „Bevor das Gesetz in dieser Form verabschiedet wird, sollte man lieber in der kommenden Legislaturperiode einen neuen Anlauf nehmen“, meint etwa Andreas Krug vom Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland. Hermann-Josef Tenhagen