Abschiebungen in Ausnahmefällen möglich

■ Interview mit Stefan Telöken, Pressesprecher der Bonner Vertretung des UN-Flüchtlingshochkommissars (UNHCR), zur Rechtmäßigkeit der geplanten Abschiebung

Der United Nations High Commissioner for Refugees (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen) residiert seit 1949 in Genf. Die Unterorganisation der UNO organisiert Hilfe für Flüchtlinge in aller Welt und wacht über die Einhaltung internationaler Vereinbarungen wie etwa der Genfer Flüchtlingskonvention. Hohe Flüchtlingskommissarin ist zur Zeit die Japanerin Sadako Ogata. Das Bonner Büro des UNHCR sorgt sich um die Umsetzung dieser Vereinbarungen in deutsches Recht, betreibt Lobbyarbeit für Flüchtlinge und nimmt Stellung in den politischen Diskussionen über Ausländer- und Asylrecht. Nach dem deutschen Asylverfahrensrecht hat jeder Asylbewerber das Recht, sich an das UNHCR-Büro zu wenden.

taz: Herr Telöken, bayerische Behörden bereiten nach den gewalttätigen Protestaktionen die Abschiebung von Kurden in die Türkei vor. Nun diskutieren deutsche Politiker, ob das rechtmäßig ist. Was sagt das internationale Recht dazu?

Telöken: Wir sprechen über Flüchtlingsrecht und die Frage, ob Flüchtlinge oder Asylbewerber abgeschoben werden dürfen. Die Genfer Flüchtlingskonvention, die auch von der Bundesrepublik unterzeichnet ist, enthält ein Abschiebeverbot bei drohender politischer Verfolgung. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen. Zum einen, wenn ein Flüchtling aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes angesehen werden muß. Oder wenn er als Gefahr für die Allgemeinheit betrachtet wird, weil er wegen einer besonders schweren Straftat verurteilt worden ist. Dann kann auch eine Abschiebung von anerkannten Flüchtlingen erfolgen.

Welche Straftaten kämen da nach deutschem Recht in Frage?

Das ist schwer zu sagen, es gibt international keine gemeinsamen Normen. Wenn man nach der deutschen Rechtsprechung geht, dann müssen die Beschuldigten zu mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt sein, oder die Voraussetzungen für eine Sicherheitsverwahrung müssen gegeben sein. Versuchter Totschlag wäre zum Beispiel eine solche besonders schwere Straftat.

Der christlich-soziale bayerische Innenminister Beckstein hat heute das Vorgehen seiner Behörden begründet. Danach wären zumindest in einem Fall die Voraussetzungen gegeben, die Sie ansprechen.

Wir können aufgrund der Informationen, die uns zur Zeit vorliegen, nicht bewerten, wie die bayerischen Fälle strafrechtlich beurteilt werden.

Unter welchen Voraussetzungen würden Mitarbeiter der deutschen Vertretung des Hohen Kommissars für Flüchtlingsfragen der Vereinten Nationen denn prüfen, ob das bayerische Vorgehen mit der Genfer Konvention vereinbar ist?

Hier ist der Unterschied wichtig zwischen der Zustellung von Ausweisungsbescheiden, um die es in Bayern bislang geht, und der Abschiebung als solcher. Keiner der Politiker stellt in Zweifel, daß zwischen Ausweisungsbescheid und Abschiebung die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung eröffnet werden muß, in der es darum geht, ob abgeschoben werden kann. Das ist unstrittig, soweit ich sehe. Wenn es nach der gerichtlichen Überprüfung, in die wir Vertrauen haben, tatsächlich zur Abschiebung von anerkannten Flüchtlingen kommt, dann werden wir uns den Einzelfall sehr genau anschauen müssen. Bislang ist eine Abschiebung anerkannter Flüchtlinge aus der Bundesrepublik nicht erfolgt oder uns nicht zur Kenntnis gekommen.

Nun streiten deutsche Politiker auch, ob die Zusicherung des türkischen Botschafters in Bonn abgeschobenen Kurden genügend Schutz bietet. Er versicherte, ihnen drohe weder Todesstrafe noch Folter. Wie beurteilen Sie diese Zusicherung?

Die Türkei hat ebenso wie die Bundesrepublik die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Ihr Artikel 3 in Verbindung mit Paragraph 53 des deutschen Ausländerrechts verbietet die Abschiebung von Ausländern in ein Land, wo ihnen Gefahr für Leib und Leben, Todesstrafe oder Folter droht. Es wird im Einzelfall zu prüfen sein, wie dies bei den Betroffenen ist. Eine Abmachung zwischen der Bundesrepublik und der Türkei, in der Ankara versichert, es werde weder gefoltert noch hingerichtet, ist völkerrechtlich sicher möglich. Entscheidend wird aber sein, daß im konkreten Einzelfall die Gefahr der Folter und der Todesstrafe ausgeschlossen ist. Interview: Hans Monath