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■ SoundcheckSoundgarden / Bill Frisell Band

Gehört: Soundgarden. Der große Rock'n'Roll-Schwindel, den man sich am Dienstagabend für immerhin 37 Mark antun durfte, wäre nicht nötig gewesen. Das Quartett, welches sich nach Sänger Cornells Bekunden mit dem inzwischen nicht mehr wegzuleugnenden Rockstar-Da-sein arrangieren muß, tat selbiges mit publikums -verachtender Nachlässigkeitder vom eigenen Werk gelangweilten Musiker. Die halbherzige Improvisation,die Soundgarden ihrem ohnehin nicht sonderlich scharf konturierten Liedgut angedeien ließen, hatte so auch den möglicherweise gewünschten Effekt, die Begeisterung in der ausverkauften Halle überschaubar zu halten. Aber auch ohne solch eitles Gestelze (was ohne Zweifel ein wichtiger Teil des künstlerischen Ausdrucks der Band ist) bestand niemals wirkliche Ohnmachtsgefahr. Zu undifferenziert der Klang, zu statisch die Band auch in Momenten tiefster Rock-Abgründe. Nur Bassist Ben Shepard bot ein vergnügliches Bild, seinen Bass deutlich unter den Knien spielend. Davon abgesehen ein schönes Poster für das Heranwachsendenzimmer, ein paar reizvolle Momente und unaufhörsam wachsende Langeweile für den Rest.

Holger in't Veld / Foto: JMS

Gehört: Bill Frisell Band. Von Arthur Schopenhauer wurde Ironie und Humor unterschieden, insofern bei ersterer sich der Scherz hinter dem Ernst versteckt, hingegen bei letzterem hinter Scherz der Ernst versteckt ist – als „doppelter Kontrapunkt der Ironie“. Was Bill Frisell mit seiner Band – u.a. Don Byron (clar) – dem Zuhörer an Grenzüberschreitung bot, war nun eine gute Portion Ironie; allein das rückt diese Musik in die Reihe derzeitiger Jazz-Avantgarde. Aber um zu durchschauen, daß in der Musik die Rede von Avantgarde nicht mehr möglich ist, fehlt Frisells Musik wiederum der Humor, der doppelte Kontrapunkt. Durchaus ist diese Musik witzig im Sinn von „geistreich“. Sie durchbricht Konventionen sie schockiert mit Überraschungen. Aber nur den Musikliebhaber, der sich auf den Jazzgenuß eingestellt hat. Und jedem Schock folgt zugleich der Akkord, der reinigt und auflöst. Dem Hörer verkauft Frisell auch diesen rettenden Sprung als Grenzüberschreitung: den Soli über Standards und Blues-Schemen fehlte Beharrlichkeit, im musikalischen Neuland zu verweilen. Wenn der Ernst, hinter dem sich dieser Scherz versteckt, ein musikalischer ist, war das nur konsequent. Wenn es aber Ernst des Lebens ist, war dieser Scherz weltfremd.

Roger Behrens

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