„Wir machen beim Volkssport nicht mit“

■ GEW, Asta und SchülerInnen gegen Sparwut im Bildungsbereich Von Kaija Kutter

„Sollten die in den Senatsparteien diskutierten Sparmaßnahmen umgesetzt werden, wird das Hamburger Bildungssystem in drei Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein“. Mit dieser Warnung schloß der GEW-Vorsitzende Hans-Peter de Lorent gestern eine gemeinsame Pressekonferenz von Lehrergewerkschaft, der SchülerInnenkammer und des Asta der Universität Hamburg.

Der GEW-Funktionär will erfahren haben, daß die Sparkommission von SPD und Statt-Partei die Streichung von 1000 Lehrerstellen anpeilt. Neben den bereits bekannt gewordenen Plänen, die Lehrerarbeitszeit zu verlängern, Referendare allein unterrichten zu lassen und den Berufsschulbereich zusammenzukürzen, sei neuerdings auch angedacht, 150 durch Pensionierung freiwerdende Stellen nicht wiederzubesetzen. Wenn das durchkommt, so de Lorent, „können wir 1996 ein trauriges Fest feiern“. Der Alterdurchschnitt der Lehrer liege dann bei 50 Jahren. Zudem würde die wachsende Zahl von Schülern von weniger Lehrern unterrichtet.

„Es ist müßig, zu diesem Zeitpunkt über Maßnahmen zu debattieren, die es noch gar nicht gibt“, sagt Schulbehördensprecher Ulrich Vieluf. Überlegungen der rotgrauen Sparkommission wolle er nicht kommentieren: „Zur Zeit wird vieles gedacht und geplant. Daß der Lehrerstellenplan sorgfältig beäugt wird, wird niemanden überraschen“.

Die Schulbehörde hatte erst vor einer Woche der GEW-Spitze „Mobilisierung um jeden Preis“ vorgeworfen und sie ermahnt, ihre „Ohne-uns-Sparverweigerunghaltung“ aufzugeben. „Wir machen beim Volkssport Sparen nicht mit“, entgegnete gestern GEW-Sprecherin Anna Ammonn. Eine „Sparnotwendigkeit als Realität“ anzuerkennen bedeute auch, Steuerungerechtigkeit und Kapitalspekulation zu akzeptieren.

Um diese Position zu bekräftigen, soll es am 27. April eine gemeinsame Demo von Schülern und Studenten gegen Bildungsabbau geben, in einer Größe, die „Hamburg bisher nicht erlebt hat“, so Anna Ammonn.

In der Tat haben die Details, die derzeit über die künftige Hamburger Bildungspolitik durchsickern, Mobilisierungseffekt: Die Schüler, die noch über die Ende Februar beschlossene Abitursverschiebung wütend sind - heute wird deshalb wieder eine Schule besetzt -, haben eine Universität mit zehn bis 15 Prozent weniger Studienplätzen zu erwarten.

Oder eine Berufsfachschule, an der sie ihre Bücher selber kaufen müssen, ein halbes Jahr Probezeit haben und bei zehn Prozent Fehlzeit abgeschult werden. Dem entsprechenden „Diskussionsentwurf“ sollen nun Papiere für die anderen vier Schulformen folgen.

Erschreckt über das Ausmaß dieser angeblichen Denkspiele zeigt sich die Geschäftsführerin der Autonomen Jugendwerkstätten, Tamara Vollmer. So sollen neben zahlreichen Ausbildungsgängen die Berufsvorbereitungsklassen für Ausländer mit derzeit 1500 Plätzen „entfallen“. Zusammen mit der Fehlzeitregelung, geplanten Notenschwellen und der Ausgliederung des Deutsch-Unterrichts sei das ein „Ausgrenzungsprogramm“ für benachteiligte Jugendliche, das der bundesweit unter Experten vereinheitlichten Forderung nach „niedrigschwelligen Angeboten“ diametral widerspreche.