: Die Erfindung des Damenwitzes: Zotig, schrullig, hausfraulich
■ Désirée Nicks neues Programm : „Hollywud, ick komme“
Mal ehrlich, die Dietrich und die Leander sind doch längst mausetot – und wen soll man heutzutage noch mit ollen Chansons hinter dem Ofen hervorlocken können? Im Video- und Fernsehzeitalter doch eigentlich niemanden mehr. Wer so denkt, hat in der Regel natürlich vollkommen recht. Aber von Désirée Nicks abgedrehter One-Woman-Show „Hollywud, ick komme“ im „Zosch“ hat so jemand bestimmt noch nichts gehört. Das kabarettistische Programm mit Klaviermusik und Gequatsche ist wohl durch großstädtische Travestie-Glamour-Shows inspiriert, nur daß die Nick unübersehbar eine „echte“ Frau ist.
Falls Sie eine eher stilisierte Vorstellung von der Rolle der emanzipierten Frau von heute haben, dann bleiben Sie der Vorstellung am besten fern, man wird Sie nämlich vor den Kopf stoßen! Denn wenn Désirée Nick in ihrem enganliegenden Abendkleid, türkisgrün, paillettenbehangen und großzügig ausgeschnitten, auf die als plüschpuffige Stargarderobe gestaltete Bühne stöckelt und ihre skurrilen Stories erzählt („Was kostet es, einen Busen nach Thailand zu schicken?“), wird so manche heilige Kuh der Frauenbewegung geschlachtet.
Die Nick will ganz bewußt vulgär sein. Ihr Motto: „Im Privatleben ist es wunderbar, eine Dame zu sein, aber auf der Bühne ist das doch langweilig.“ Zentrales Thema der Show ist Sex, was sie gleich mit den ersten Sätzen klarstellt: „Als der Sittenstrolch zu mir kam, da dachte ich, ich hocke mich schon mal hin. Aber der Kerl sieht dann meine Nase im Profil und haut einfach ab! Ich laufe natürlich hinterher, man soll ja nie eine Gelegenheit auslassen.“ Es folgen noch weitere intime Geschichten wie die über den Schwanz des Pornostars Jeff Stryker oder die Liebestauglichkeit eines gewissen Journalisten, der ihre Spirale glatt „zum Tauchsieder“ und ihren Tampon „zur Lunte“ werden ließ.
Insidern ist die Nick schon seit dem letzten Sommer ein Begriff, als sie mit ihrem ersten Soloprogramm „Eine Frau wird erst schön durch die Liebe“ die legendäre Pleite des Musical-Produzenten Fritze Kurz („Sag mir, wo die Blumen sind“) durch den Kakao zog. Aus diesen Tagen stammen auch die vielen schönen Witze über „Spargel-Jane“ Ute Lemper. Daran kann auch die Schwangerschaft der Münsteraner Hupfdohle nichts ändern: Die Lemper bleibt ein Lieblingsthema der Nick. Ihre Ute-Witze, mittlerweile zum Running Gag kultiviert, sind auch aus dem neuen Programm nicht mehr wegzudenken.
Mit ihren zotigen Ausführungen, in denen sich philosophische Betrachtungen über das Leben mit deftigen Kalauern ganz wundervoll paaren, kokettiert Désirée Nick mit den gängigen Vorstellungen von der „modernen Frau“. Dabei verläßt sie ganz schnell die geordneten Bahnen, die man von einer Post-Marlene-Show erwarten würde. Völlig zu Recht nennt die Nick sich „Diseuse vom Dienst“. Die Lieder, die von dem zarten Pianisten Christoph Wagner begleitet werden, sind natürlich auch schön – aber erst wenn sie ihre versauten Alltagsgeschichten daherschnattert, ist sie wirklich in ihrem Element.
Egal, ob sie in die Rolle des Vamps oder der Hure schlüpft – ein bißchen schrullig und hausfrauenhaft bleibt sie immer. Sie schreckt vor nichts zurück; schon gar nicht vor den Problemen einer pickeligen Halbwüchsigen: „Kommt meine Tochter Tarantula und fragt: ,Mama, wie findste denn meine Figur?‘ ,Welche Figur?‘ frage ich sie dann. Sie hat doch gar keine.“ Auch ihr eigener Körper muß dran glauben. Kennen Sie den Trick, wie eine Frau herausfinden kann, wann ihr Busen den Kräften der Schwerkraft unterliegt? Richtig, wenn ein Bleistift, an die richtige Stelle geklemmt, nicht herunterfällt, sondern pappen bleibt. Nick: „Zum Bleistift kann ich glatt noch einen Notizblock packen, eine Schachtel Zigaretten, meine Schlüssel...“
Um größtmögliche Geschmacklosigkeit bemüht, kriegt die Nick erstaunlicherweise immer wieder den Dreh – sie ist nie peinlich. Im Gegenteil, bei allem, was sie tut, strahlt sie Souveränität aus. Sie steht deutlich über dem Publikum, kann es immer wieder aufs Neue überraschen. „Noch geiler, noch platter, noch billiger“ lautet die Devise, die hier tatsächlich funktioniert. Haben wir in Désirée Nick vielleicht die Erfinderin des Damenwitzes gefunden? Ein herzhaftes „sich auf die Schenkel schlagen“ ist hier nämlich durchaus angebracht. Kirsten Niemann
Noch bis 8.5., Do./So., 21 Uhr, Fr./Sa., 24 Uhr, Kellertheater Zosch, Tucholskystraße 30, Mitte.
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