Der gemeinsame Feind eint

■ Betr.: „Respekt, Herr Nooke!“ (Offener Brief an den Bürger rechtler), taz vom 28.3.94

In grauer Vorzeit unserer jüngsten Geschichte mußten sich die wirklich Bösen dieser Welt manchmal sehr fürchten: Da gab's dann die Volksfront, einen Kampfbund des letzten Auswegs aller, aber auch aller Linken gegen die Mord- Menetekel von rechts, während das fleißige, gierige und tumbe Bürgertum sich (verhängnisvoll) sperrte.

Heute sind wir viel weiter und reifer; denn wie schon auf der zweiten Seite der taz dokumentiert ist: Es gibt sie unversehens, die eherne Front des Gutmenschentums in Ost und West, von links bis rechts, die Retter gegen die säkulare Gefahr des Notlügenbeutels Stolpe. Endlich stehen so honorige Bürger wie Rainer Eppelmann, Steffen Heitmann, Brigitte Seebacher- Brandt oder Michael Wolffsohn untergehakt mit – irre ich mich? – nicht ganz so koscheren Leuten wie Lukas Beckmann, Wolf Biermann, Katja Havemann, Hans-Joachim Maaz usf. in einer Phalanx. Der gemeinsame Feind eint. Jedenfalls bei solch gräßlicher Bedrohung. Vielleicht gäbe es ja sogar noch eine kleine Lücke in dieser spektakulären Widerstands-Linie und Pep-Rallye: Der Herausgeber der National-Zeitung (ich muß mich nicht auf jeden Namen besinnen) könnte sich doch mit einreihen und jenes Dokument auch kostenlos abdrucken...

Merke: Nicht jeder Hahn muß auf allen Misthaufen krähn. Rolf Geisler, Ganderkesee

Zunächst das, in dem wir uns wahrscheinlich einig sind: Ein honoriger Landesvater, wie es Manfred Stolpe ja immer sein will, hätte von Anfang an ehrlich die Karten über seine MfS-Kontakte offen auf den Tisch legen müssen, anstatt zu verschleiern und zu vernebeln. Niemand wäre dann auf die Idee gekommen, jemanden zum Helden zu erheben, nur weil er öffentlich über die Wahrheit nachdenkt.

Man merkt es Ihrem Offenen Brief allerdings an, daß die wenigsten von Ihnen in Brandenburg leben und die hiesige Politik in ihrer Gesamtheit verfolgen. Sonst hätte Ihr Denkmal nämlich deutliche Risse bekommen. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Gelegenheiten, die Koalition anhand von Problemen in Frage zu stellen, die für die Menschen in Brandenburg erheblich größere Auswirkungen haben, als Lüge oder Nichtlüge ihres Ministerpräsidenten. Man denke nur an die menschenverachtende Energie- und Braunkohlepolitik dieser Landesregierung. Da stellte Herr Nooke die Koalitionsfrage nie, sondern ließ sich immer brav überstimmen.

Statt dessen legt er jetzt die moralische Latte bei dem Thema hoch, das im Prinzip schon seit Beginn der Regierungskoalition bekannt war. Daß der Kaiser nackt ist, kann ihm nicht erst jetzt aufgefallen sein. Und daß mit einem nackten Kaiser schlecht regieren ist, auch nicht. [...]

So darf bezweifelt werden, ob ausgerechnet Günther Nooke „die Wahrheit wichtiger ist als Wahl- und Machttaktik“. Das Ganze erscheint doch eher als geschickte Inszenierung denn als überzeugende Wahrheitsliebe.

Offensichtlich nutzt Nooke doch seinen lauten Auftritt machtpolitisch zum Start einer neuen Karriere, der er die erfolgreichen Projekte bündnisgrüner Mitgestaltungspolitik in Brandenburg opfert. In diesem Zusammenhang ist es besonders witzig, daß der Offene Brief von einer Reihe bündnisgrüner Politiker unterschrieben ist, die auf Bundesebene alles dafür tun, eine derartige Koalition durch Aufweichen bündnisgrünen Programmprofils zu erleichtern. Also von wegen „trotz großen und öffentlichen Drucks ihrer Position treu geblieben...“ Arnd Grewer, Eberswalde