Auferstehung der „ersten Republik“

Oberitaliens „Ligen“-Chef Bossi gegen Berlusconi als Ministerpräsident / Vorläufiger Stillstand der Verhandlungen / Auflösung der Wahlbündnisse und Große Koalition?  ■ Aus Rom Werner Raith

Lange Gesichter bei Italiens Wahlsiegern und besonders im Generalstab des Quereinsteigers Silvio Berlusconi mit seiner „Forza Italia“: Nichts da mit der versprochenen Regierungsbildung innerhalb weniger Tage, und nichts da mit der Blitz-Umbesetzung öffentlicher Ämter. Da nämlich ist der Chef der im Wahlkampf mit Berlusconi verbündeten norditalienischen „Ligen“ vor: Absolut unmöglich, ließ Umberto Bossi wissen, ja fürs Land sogar hochgefährlich wäre eine Übernahme der Regierung durch den Medienmonopolisten und Großindustriellen Berlusconi.

Bossi agiert wie in den besten Zeiten der angeblich mit dieser Wahl zu Grabe getragenen „ersten Republik“. Nach einem ersten Kurztreff mit Berlusconi zwei Tage nach der Wahl versetzte er seinen Mailänder Landsmann ein ums andere Mal und kündigte dann auch noch fröhlich „Verhandlungen mit allen anderen Fraktionen“ an. Schließlich sagte Berlusconi am Dienstag abend voller Wut alle Koalitionsgespräche ab – Bossis Kommentar dazu: „Nerven hat er auch keine.“ Seither fleht Berlusconi hilflos den Staatspräsidenten an, nun doch endlich den Auftrag zur Regierungsbildung zu geben.

Der wird sich hüten: Einerseits kann er noch gar nicht handeln, ist doch die konstituierende Sitzung der beiden Kammern des Parlaments erst für den 15. April angesetzt. Danach muß er noch die neugewählten Präsidenten von Senat und Abgeordnetenhaus konsultieren, und erst dann kann er Gespräche mit den Fraktionen beginnen.

Zweitens kann er ohne Bossis Placet schlecht Berlusconi beauftragen. Nicht nur, daß ohne die Ligen keine Rechts-Mehrheit zustandekommen würde: Die oberitalienische Gruppierung stellt darüber hinaus auch von den vier im Rechtsbündnis angetretenen Formationen (neben Ligen und Forza Italia noch die neofaschistische „Nationale Allianz“ und das „Christdemokratische Zentrum“) auch die größte Fraktion. Und die hat traditionell das Vorrecht, einen Kandidaten zur Regierungsbildung zu benennen.

Noch rätseln freilich auch Bossis Anhänger, ob ihr Chef nicht nur taktiert, um den Preis für den Eintritt in die Regierung hochzutreiben: Der besteht in einer Neuformulierung der gesamten Staatsverfassung, die „zumindest so föderalistisch werden muß wie die schweizerische“. Genau das will der Koalitionspartner von der anderen Seite, die Nationale Allianz aber nicht. Berlusconi, der geglaubt hatte, die Ligen mit ein paar Schlüsselministerien ködern zu können, suchte die Maximalforderung durch den Hinweis herabzureden, das sei „nicht abgesprochen“ – was Bossi zu weiterem Auftrumpfen veranlaßte: Die „Ligen müssen ja gar nicht in die Regierung, Berlusconi kann sich ja unsere Stimmen von Mal zu Mal holen.“

Hoffnung schöpfen nun wieder die Unterlegenen, allen voran die „Fortschrittlichen“ unter Führung der Linksdemokraten: Sie entstauben den bereits verloren geglaubten Plan einer „konstitutionellen Regierung“, also einer Großen Koalition, die die radikalen Flügel aller Wahlbündnisse ausklammert und, unter Umständen unter Mitarbeit ausländischer Experten, eine neue Verfassung ausarbeitet und dann erneut zu den Urnen ruft. Bossi hat bereits erkennen lassen, daß er sich derlei auch mit den ansonsten von ihm als „Ewiggestrige“ und „Staatsmonopolisten“ verunglimpften Linken vorstellen könnte – „sofern alles sofort Schwarz auf Weiß festgehalten und auch danach nicht mehr in Frage gestellt wird“. Die Linken, noch immer beim Wundenlecken, wären wohl derzeit auch dazu bereit.