Bilanz saniert, Babys vergiftet

■ Schlecker ruft seine spanischen Baby-Nahrungsmittel zurück / Pestizide auch in "Milupa" und "Aldi"-Gläschen / Spanische Herstellerfirma klagt vor der EU / Schweizer Holding auf Expansionskurs

Berlin (taz) – Seit gestern beschäftigen sich auch Staatsanwälte mit der spanischen Babykost in den Regalen der Schlecker-Drogeriemärkte. Ein Zwischenhändler in Lindau geriet ins Blickfeld der örtlichen Ermittler. Die Firma „L & M Babyfood GmbH“, hat die Gläschen mit pestizidbelastetem Inhalt an die Schlecker-Kette geliefert; sie könnte damit, so der Verdacht, gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen verstoßen haben. Schlecker versucht, den Schaden zu begrenzen, der ohnehin größer ist, als bisher zu befürchten gewesen war. Die Firma hat gestern eine Rückrufaktion gestartet. Betroffen sind davon folgende Schlecker-Sorten von Baby- Kost: Äpfel mit Banane (Chargennummer am Deckel: MPDS 7, MPDHH, MPDH5: 53, MPDHS: 51), Banane-Mandarine-Birne (PMDS8), Williams-Christ-Birnen (PWDHY:74), Vollkorn-Obst- Brei (CIDHF), Feines Müsli Bircher Art (MCDHD, MCDHD: 22), Vielkorn-Apfel-Brei (MMDHA, MMDHD), Vollkorn- Reisbrei (AIDHE:65, AIDLO: 69), Gemüse-Allerlei (alle Chargen), Zartes Gartengemüse (alle Chargen), Karotten (alle Chargen), Frühkarotten (alle Chargen).

Wer Baby-Gläschen mit diesen Kennzeichnungen zu Hause findet, möge die Ware bei der nächsten Schlecker-Filiale abliefern. Schadenfreude der Konkurrenz im Billigsektor ist allerdings verfrüht. Unabhängig von der Verbraucherinitiative, die den Skandal am Ostermontag ins Rollen brachte, ließ die Zeitschrift Ökotest Babynahrung untersuchen. Die gestern vorab veröffentlichten Ergebnisse: Produkte der Marke „Milupa“ enthielten bis zu 0,04 Milligramm des Pestizids Carbendazim. Beim Pflanzenschutzmittel Dithiocarbamate steht der „Leckermatz“- Früchtebrei von Aldi mit 0,02 Milligramm pro Kilo an der Spitze.

Aber auch Schlecker hat noch mehr zu bieten, als bisher bekannt geworden ist. In allen Proben von fleischhaltigen Babybreis der Firma waren krebsverdächtige Stoffe nachweisbar, die den Brei schön weich machen sollen. In einer anderen – vegetarischen – Probe fanden die Ökotest-Prüfer sogar das seit langem weltweit verbotene Insektengift DDT. Die Untersuchung zeige, meint die Zeitschrift, daß nicht nur die jetzt zurückgerufenen Produkte, sondern eine „große Palette von Babykost aus konventioneller Erzeugung“ belastet seien.

Den Konkurrenten „Hipp“, der seine Baby-Töpchen werbewirksam nur mit Gemüse aus kontrolliertem biologischem Anbau füllt, wird die Nachricht freuen. Der spanische Hersteller der Schlekkerschen Billignahrung droht inzwischen, vor die Kommission der EU zu ziehen – wegen Marktbehinderung durch deutsche Sondervorschriften. Gerade ein Prozent der in Deutschland verkauften Baby-Fertiggerichte stamme aus dem Ausland. Die gescholtenen Produkte hätten alle einheimischen Qualitätskontrollen unbeanstandet passiert, versichert die spanische Tocherfirma des Schweizer Nahrungsmittelkonzerns „Hero“. Die mittelständische Holdinggesellschaft setzt mit rasch zusammengekauften Firmen in aller Welt auf Expansion. Im letzten Jahr wuchs der Umsatz in Spanien und Deutschland um 19 beziehungsweise 18 Prozent, mit 4,3 Prozent war die Babynahrung an diesem Boom beteiligt.

Trotz erheblicher Schwierigkeiten im zurückliegenden Krisenjahr konnte Verwaltungsratsdirektor Rudolf Stumpf am Dienstag auf einer Bilanzpressekonferenz in Lenzburg die Stabilisierung des Unternehmens melden. Wie im Vorjahr werden 18 Franken Dividende pro Aktie ausbezahlt, der Gewinn blieb mit 63,4 Millionen Schweizer Franken stabil, der Cash-flow erreichte mit einem Zuwachs von 5,7 Prozent sogar den Firmenrekord von 127 Millionen Franken. Das Bargeld will Stumpf für weitere Firmenkäufe nutzen, ihm erscheint die europäische Nahrungsmittelindustrie mit ihren immer noch etwa 100.000 Einzelfirmen „zu stark fragmentiert.“ Niklaus Hablützel