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„Ein Dilemma“

■ Dieter Both (32) vom Fanprojekt Berlin zur späten Absage des Länderspiels

taz: Jetzt ist das Länderspiel England gegen Deutschland abgesagt, und der Fußball darf endlich wieder Sport sein.

Dieter Both: Tja, schön, wenn es so wäre. Für uns ist das ein Dilemma. Eigentlich sollte Fußball immer Sport sein, aber in diesem einen Spiel vermengen sich Sport und Politik so ungemein, daß es uns schwerfällt, eindeutig Position zu beziehen. Ich hätte mit dem Spiel schlecht leben können und ohne auch. Zumal die Absage so spät, vielleicht zu spät erfolgt ist.

Wieso, ohne Fußball gibt es doch auch keine Randale.

Die hätte es gegeben, stimmt. Aber die hätte es zu jedem anderen Termin eben auch gegeben. Wenn Engländer und Deutsche gegeneinander Fußball spielen, dann hat das nie einen freundschaftlichen Charakter. Hinzu kommt, daß die Briten bis zur Europameisterschaft 1996 im eigenen Land kein großes Spiel mehr haben werden. Das Länderspiel im Olympiastadion wäre das sportliche Highlight der nächsten beiden Jahre gewesen.

Und nun?

Nun sieht es verdammt nach einer Kapitulation vor den Rechten aus. Ich kann jetzt noch gar nicht abschätzen, wie sich die Absage auf die Jugendlichen, die sich auf ihr allererstes Länderspiel gefreut haben, auswirken wird. Für die stand wirklich das sportliche Erlebnis im Vordergrund, nicht die Randale. Und wir sind alle davon ausgegangen, daß das Spiel stattfindet.

Besteht denn Gefahr, daß sich Aggression nun anderweitig entlädt?

Nun, das nächste Länderspiel steht ja bevor. Österreich gegen Deutschland, auch so ein Klassiker, immer brisant, der politisch aufgewertet werden könnte.

Die Medien haben ja vorab schon gewußt, was sich unter den Fans alles abspielen wird.

War ja auch alles richtig, nur haben sie einen Fehler gemacht, nämlich Rechte und Hooligans in einen Topf geworfen. Aus unseren Gesprächen mit der Randaleszene war aber ein Trend ganz deutlich zu erkennen: Führende Hools aus Hamburg, Berlin und aus Nürnberg haben immer wieder betont, daß die Rechten eins auf die Mütze bekommen sollten. Die wollten sich nicht politisch vereinnahmen lassen.

Und wie sieht das in Großbritannien aus?

Da beschränkt sich der Hooliganismus inzwischen in der Tat auf die Länderspiele. Eine Mobilmachung hat und hätte stattgefunden.

Haben Sie Kontakt zu dortigen Fanprojekten?

Ja, zwar kümmern sich in England meist ehemalige Sportler in den Vereinen um die Rowdys. Aber die haben genauso wie wir zu dem Ganzen eine gespaltene Haltung. Interview: Cornelia Heim

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