Ein Königreich für Südafrikas Demokratie

Nur ein „Friedensabkommen“ kann den geregelten Urnengang in Südafrika auch in Natal garantieren. Ab Freitag wollen die Zulu-Führer mit Mandela und de Klerk einen Kompromiß aushandeln.

Bis zum Wochenende müßte sich klären, ob die Bürger Südafrikas – und zwar alle Bürger – in drei Wochen zum ersten Mal eine demokratische Regierung wählen können oder nicht. Arten die Spannungen in der Provinz Natal, wo die Inkatha-Bewegung mit Gewalt die Wahlen sabotieren will und wo die Regierung de Klerk vor einer Woche den Ausnahmezustand verhängte, nun zu einem schmutzigen Bürgerkrieg aus? Oder gelingt es den politischen Führern Südafrikas, per Kraftakt einen Interessenausgleich herzustellen?

Um diese Frage geht es bei dem auf morgen angesetzten Treffen der vier derzeit wichtigsten Politiker des Landes: Frederik W. de Klerk, derzeit noch Staatschef; Nelson Mandela, Führer des ANC und aller Voraussicht nach nächster südafrikanischer Präsident; Mangosuthu Buthelezi, Führer der die Wahl boykottierenden Inkatha und Chief Minister des Zulu-Homelands KwaZulu in Natal; Goodwill Zwelethini, König der Zulus und damit des jüngst unabhängig erklärten Zulu-Königreichs. Diese Elefantenrunde soll eine Lösung finden für das Problem, das derzeit eine Durchführung der Wahlen in KwaZulu fraglich macht: das Problem des künftigen Status der Zulu-Institutionen in Südafrika.

5,5 Millionen Menschen leben in KwaZulu – jeder siebte Wähler Südafrikas. Das Homeland liegt in Natal, wo der Krieg zwischen den rivalisierenden Schwarzengruppen Inkatha und ANC älter und härter ist als sonstwo in Südafrika. Lange träumte Inkatha-Führer Buthelezi davon, irgendwann wenn nicht alle Südafrikaner, dann doch zumindest „seine“ Zulus beherrschen zu dürfen. Aber da er an den Demokratisierungsverhandlungen der letzten Jahre nicht teilnahm, nahmen Südafrikas Machthaber davon keine Notiz. Vielmehr einigten sich Regierung und ANC letzten November darauf, nach den Wahlen die Homelands aufzulösen und Südafrika in neun Bundesstaaten mit weitreichenden Regionalkompetenzen aufzuteilen. Das bedeutet: Ab Mai existiert KwaZulu nicht mehr.

Das ist nicht einfach ein Statusproblem. KwaZulu dient Buthelezi hauptsächlich als Schaltstelle für südafrikanische Staatsgelder; mit der „Budgethilfe“ aus Pretoria bezahlt Chief Minister Buthelezi seine Beamten und Polizisten. In Zukunft ist dafür der Bundesstaat KwaZulu/Natal zuständig, der wegen Inkathas Wahlboykott vermutlich vom ANC regiert werden wird. Somit dürften Buthelezis Macht und Finanzquellen schnell austrocknen. Sterben müßte wohl auch die Zulu-Monarchie, über deren Zukunft der Bundesstaat bestimmen soll. Folgerichtig wirbt Inkatha für den Wahlboykott mit dem Argument einer bevorstehenden Abschaffung des über 150 Jahre alten Königreichs der Zulu, an dem sich schon die Briten die Zähne ausbissen.

Kompromiß könnte Ängste vor dem ANC besänftigen

Bei dem Freitagsgipfel will der ANC nun offenbar eine Änderung der im November 1993 beschlossenen Übergangsverfassung vorschlagen. Danach wird vor den Wahlen die „Souveränität“ des Zulu-Königreichs anerkannt und seine künftige Finanzierung durch die Regionalregierung garantiert. Ein solcher Kompromiß könnte nicht nur die Ängste vieler Zulus vor dem ANC besänftigen, sondern würde auch Zulu-König Zwelithini auf Kosten Buthelezis stärken. Manche ANC-Funktionäre sprechen bereits hoffnungsvoll davon, der Inkatha-Führer ließe sich vollständig auf irgendein symbolisches Amt unter seinem Monarchen zurückdrängen. Verhandeln müßte man lediglich noch darüber, ob der Bundesstaat KwaZulu/Natal die von Buthelezi geforderten Zusatzrechte, vor allem im Steuerwesen, bekommt: Inkatha würde gerne weiter Sonderabgaben von Zulu-Familien eintreiben können.

Aber noch hat Buthelezi zu viele Trümpfe in der Hand, um lediglich die Bedingungen seiner Kapitulation aushandeln zu müssen. Mit dem Aufmarsch Zehntausender mit „traditionellen“ Speeren bewaffneter Inkatha-Anhänger in Empangeni, unter den Augen einer nach den Bestimmungen des Ausnahmerechts eigentlich zum Eingreifen verpflichteten Polizei, demonstrierte Inkatha am Dienstag eindrucksvoll ihre Macht. Es kam nicht zu den befürchteten Ausschreitungen, wie noch eine Woche zuvor in Johannesburg. Buthelezi hat damit gezeigt, daß er – und nicht das Militär – über Krieg und Frieden in Natal bestimmt. Beim nächsten Mal, kündigten Inkatha-Funktionäre bereits an, werden die Demonstranten noch mehr Waffen tragen.

Kein Zufall war es daher, daß noch am Dienstag abend Südafrikas Unabhängige Wahlkommission in einem düsteren Bericht zum Stand der Wahlvorbereitung Zweifel anmeldete, ob die Durchführung der Wahlen in KwaZulu überhaupt möglich ist. Die Kommission, heißt es, habe zusammen mit den Regierungen Südafrikas und KwaZulus „einstimmig den Schluß gezogen, daß Wahlen in KwaZulu im gegenwärtigen politischen Klima nicht stattfinden können“. Die Behörden KwaZulus hätten keine technische Unterstützung für die Einrichtung der Wahllokale geleistet. Und weder die KwaZulu-Polizei noch die südafrikanische Polizei hätten sich verpflichtet, genug Personal zur Sicherung der Wahllokale abzustellen.

Während Präsident de Klerk sich sogleich diesen Bedenken anschloß und ein Inkatha-Sprecher die landesweite Verschiebung der Wahlen forderte, erteilte Wahlkommissionsleiter Johann Kriegler Spekulationen, nun habe die Wahlkommission die Wahlen in KwaZulu abgesagt, eine Absage: „Das politische Klima, nicht der Wahltermin“ in KwaZulu müßte geändert werden, sagte er. Damit schloß er sich der Meinung Mandelas an. Der ANC-Führer hatte davor gewarnt, „in die Hände derjenigen zu spielen, die die Wahlen nicht wollen“, und auf seine „neuen Vorschläge“ beim anstehenden Politikergipfel verwiesen. Doch ist allen bewußt, daß die Wahlkommission laut Wahlgesetz die Macht hat, Einzelergebnisse der Wahl ungültig zu erklären und Neuwahlen anzuordnen.

Nur ein „Friedensabkommen“ auf höchster Ebene kann also noch einen geregelten Urnengang in Natal sicherstellen. Von den Künsten der Politiker scheint mehr abzuhängen als von den Wahlen selbst, an deren Ergebnis – ein ANC-Sieg – kein Südafrikaner zweifelt. Noch immer wird die südafrikanische Politik von oben geleitet; die Bürger sind Kampf- und Stimmvieh. Zu Apartheid-Zeiten gab es noch den Traum, daß mit dem Ende der weißen Herrschaft in Südafrika auch die Gesellschaft demokratischer werden könnte. Davon ist heute weniger die Rede denn je. Dominic Johnson