Deutschland in der Abseitsfalle

■ Englischer Fußballverband sagt Länderspiel am 20.April ab / DFB und Berliner Senat sind betrübt

London(taz) – „Es ist ein trauriger Tag für den Fußball“, sagte gestern mittag der Pressesprecher des englischen Fußballverbands, David Davies, nachdem sein Verband das Länderspiel gegen Deutschland abgesagt hatte. Das Risiko sei zu groß gewesen, das Spiel ausgerechnet an Hitlers Geburtstag, am 20.April, im Berliner Olympiastadion stattfinden zu lassen, wo 1938 ein englisches Team zum Entsetzen der englischen Öffentlichkeit mit dem Hitlergruß angetreten war.

Sowohl die Nachrichtendienste der englischen Polizei und des Außenministeriums als auch der deutsche Nachrichtendienst haben, laut Davies, in den vergangenen Wochen gewarnt, daß rechtsradikale Gruppierungen aus beiden Ländern massive Demonstrationen für diesen Tag planten und es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit linken Organisationen kommen würde. Außerdem habe es Hinweise gegeben, daß auch aus Frankreich und den Niederlanden Rechtsradikale zum Spiel anreisen wollten. „Dazu dann noch die normalen englischen Hooligans“, sagte Davies, „stellen Sie sich vor, was auf den Berliner Straßen losgewesen wäre, wenn wir das Spiel gewonnen hätten. Und wer hätte dann wohl die Schuld dafür bekommen?“ Davies erklärte, daß der deutsche Fußballverband sich zwar viele Gedanken über die Sicherheitsvorkehrungen gemacht und Garantien gegeben habe, letztendlich aber eingestehen mußte, daß Risiken bestehen blieben. Deshalb habe es keine Alternative zu einer Absage gegeben. Davies fürchtete besonders um den Ruf Englands, weil dort in zwei Jahren die Europameisterschaften stattfinden.

Davies räumte ein, daß die Entscheidung für eine Absage bereits vor langer Zeit gefallen sei. „Wir wollten spielen, wir wollten diesem Match eine Chance geben“, sagte er.

Ausschlaggebend für die Absage sei der Widerstand in Deutschland gegen das Spiel gewesen. „Politiker, Gewerkschafter und politische Organisationen in Deutschland waren dagegen, daß England an diesem Tag in Berlin spielt“, sagte Davies, „das hat bei unserer Entscheidung schwer gewogen.“ Der Präsident des englischen Verbands, Bert Millichip, fügte hinzu, daß man damit einen gefährlichen Präzedenzfall schaffe. „Wir sind uns darüber im klaren, daß der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes und andere Funktionäre das als Niederlage für die Demokratie empfinden“, sagte er. „Wir verstehen diese Sichtweise, aber wir kamen zu dem Schluß, daß das Risiko – so klein es auch sein mag – zu groß war.“ Francis Lee, der frühere Stürmer der englischen Nationalmannschaft, sagte: „Es wäre sehr schlecht für das Ansehen des deutschen und englischen Fußballs gewesen, wenn etwas passiert wäre. Unter diesen Umständen ist es eine vernünftige Entscheidung.“ Der Deutsche Fußball-Bund und der Berliner Senat reagierten mit Bedauern auf die Absage. „Alle notwendigen Vorkehrungen für einen reibungslosen Ablauf waren getroffen“, erklärte der DFB. Sportveranstaltungen am 20.April drückten Normalität aus. Das Aktionsbündnis „Kein Länderspiel am 20.4.“ verwies darauf, daß auch nach der Absage mit Ausschreitungen von Rechtsradikalen zu rechnen sei.

Ralf Sotscheck Seiten 4 und 10