Bügel oder Panzerkabel?

■ Mit dem richtigen Werkzeug ist nahezu jedes Fahrradschloß zu knacken / Doch die Arbeit der Langfinger kann erheblich behindert werden

Nervtötendes Geratter und Gequietsche dringt durch Mark und Bein. Helmut Wichert spielt Fahrraddieb. Im Auftrag von ÖKO-TEST attackiert der Prüftechniker ein Bügelschloß, dessen massives Aussehen allein potentielle Langfinger abschrecken könnte. Sein Werkzeug: eine Akkubohrmaschine, 1600 Gramm schwer, bequem unter jeder Jacke zu verstecken. Der sechs Millimeter dicke Hartmetallbohrer frißt sich durch den Schließzylinder des Modells „Burg Wächter Bike Lock“ und gräbt unzählige feine Messingsplitter heraus. Doch trotz eines tiefen Lochs hält dieses Schloß. Allerdings: Mit einem größeren Bohrer attackiert springt ein zweites Exemplar desselben Typs nach dreieinhalb Minuten auf.

Andere Fahrradsicherungen schnitten unter dem Bohrer noch schlechter ab. Insgesamt 22 von 49 Bügel-, Kabel- und Kettenschlössern, die das Prüfinstitut der Gütegemeinschaft Schlösser und Beschläge für ÖKO-TEST untersucht hat, wurden abgewertet, weil sie einer Akkubohrmaschine keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen konnten.

Grundsätzlich gilt: Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz gegen Fahrraddiebe. Mit Spezialwerkzeugen können sie fast jede Sicherung in Sekundenschnelle knacken. Aber durch die unzähligen Billigschlösser, die auf dem Markt angeboten werden, haben Diebe immer öfter freie Auswahl auf der Straße. Sie entscheiden sich einfach für die Räder, die am schlechtesten gesichert sind.

Doch ein gutes Schloß kann die „Arbeit“ der Fahrraddiebe immerhin um einiges erschweren. Als äußerst widerspenstig zum Beispiel erwiesen sich Schließzylinder, die speziell gehärtet oder bis auf einen schmalen Spalt für den Schlüssel mit gehärteten Stahlplättchen abgedeckt sind. Sechs der acht Testsieger haben dem Bohrer mindestens sechs Minuten fast unbeschadet standgehalten.

Bei vier weiteren Profi-Aufbruchmethoden schnitten Bügelschlösser gut ab. Bei ihnen hätte ein Dieb weder mit einem Bolzenschneider oder einer Eisensäge noch einem Wagenheber eine Chance. Und auch durch das Aufhebeln mit einem Schraubenzieher oder einem Brecheisen sind sie nicht zu knacken.

Ein Schwachpunkt von Bügelschlössern ist jedoch ihre Empfindlichkeit gegen Schläge. Je härter ein Stahl ist, desto schneller kann er brechen. Weil niedrige Temperaturen diesen Effekt verstärken, setzen clevere Diebe inzwischen Vereisungssprays ein. Diese Aufbruchmethode kann allerdings nur dann funktionieren, wenn das Schloß auf einer festen Unterlage liegt, etwa direkt auf dem Boden, an der Hauswand oder einer Mauer.

Bügelschlösser bieten zwar den besten Schutz, haben aber auch Nachteile. Ihre Handhabung ist oft schwierig, denn ihre Öffnung für das Anschließen an einen Laternenpfahl oder Baum ist nicht selten zu schmal. Eine Alternative sind dicke Panzerkabel.

Enttäuschend fällt unser Testergebnis bei den Ketten-Schloß-Kombinationen aus. So widerstand eine fast drei Kilogramm schwere Kombination zwar der Zerreißmaschine, der Akkubohrmaschine und einem Aufhebelungsversuch. Doch hielt die Sicherung weder dem Bolzenschneider noch der Sägeprüfung stand. Alle anderen getesteten Schloß-Ketten-Kombinationen mögen einen Dieb zwar durch ihre Optik abschrecken. Im Test schieden sie aber als „nicht empfehlenswert“ aus dem Rennen.

Peter Hermes