Von zarter Gorillahand

Curt Mcdowells Undergroundmelodram „Thundercrack“  ■ Von Anke Leweke

Zunächst geilt er die Alte auf, doch dann versagt er ihr das dicke Ding. Erregt zückt sie das Hackebeilchen und holt aus. Da schiebt sich ein erigiertes Glied ins Bild und wird mit heißen Küssen bedacht, mit Rücksicht auf den Zuschauer hat sich auch die Kamera im Nebenzimmer aufgestellt. Herbe Schnitte, trötende Elefanten und eingelegte Menschenaugen bringen die Aktivitäten im Hotel „Prairie Blossom“ gelegentlich aus dem Takt, ansonsten läßt ein überlanges und stellungsarmes Geschlechtergerangel hinreichend Zeit für Biernachschub und Pläuschen mit dem Nachbarn. Im pornographischen Mittelteil verzichtet „Thundercrack“ mit handelsüblicher Pornokost (wechselnde Konstellationen, gleichgeschlechtlicher Sex, Gucklock-Voyeurismus, Einsatz diverser Dildos, etc.) weitgehend auf Trashelemente, ausgiebig bis ins widerlichste Detail wird das müllige Genre im Vor- und Nachspiel durchwühlt.

Da torkelt zu Beginn die Witwe Hammond mit dem Cocktailglas durchs Bild, ganz im Zwiegespräch mit der Kamera. Endlich unterbricht das Klopfen an der Tür den Endlosmonolog, ein bunt zusammengewürfeltes Grüppchen sucht Schutz vor der stürmischen Nacht. Schnell eilt die abgetakelte Fregatte ins Bad zum Spiegel. Vor lauter Aufregung wird auch die Perücke der Kloschüssel übergeben. Doch die Kotzklümpchen verleihen dem Haarersatz den ganz besonderen Glanz. Die Fülle der Ekligkeiten wird nie durch die gefühlsbetonte Seite des Stoffes erschlagen, in seinen besten Momenten ist „Thundercrack“ ein manisch-depressiver Ringelpiez amerikanischer Kleinbürgerseelen, eine derbe Schmuddelvariante des klassischen Hollywoodmelodrams. Forschen Schrittes unterwandert Curt Mcdowell mit den Stilmitteln des B-Movies (gemalte Dekors, hinfällige Pappmachébauten und überspielende Schauspieler) den gepflegten Perfektionismus kommerzieller Filme, durchbricht die glatte Oberfläche und bringt die dunklen Ecken des Lebens auf Zelluloid. Tragikomische Gestalten haben Platz am Tisch der Witwe Hammond genommen, in bewegenden Rückblenden erzählen sie aus ihrem Leben. Besonders arg hat es den Schnauzbart am Kopfende erwischt, seit seine Frau in Dessous verbrannte, kann er den Anblick von BH und Slip nicht mehr ertragen und fühlt sich zu Gleichgeschlechtlichen hingezogen. Unbeschwert wechselt Regisseur Mcdowell innerhalb der Rückblenden das Genre, als Stummfilmdiva darf olle Hammond vom Tod ihres Gatten berichten. Das groteske Spiel ihrer überschminkten Augenbrauen kennt keine Grenzen, die Klaviermusik schraubt sich in ungeahnte Höhen, im rechten Bildrand flitzt ein kleines Männchen auf der Flucht vor Killerinsekten. Die traurigste Figur aus Mcdowells polymorph-perversem Haufen dürfte jedoch der Zirkuswärter Bing sein, ein kleiner Ausflug ins Großtierfach unterlegt seinen Auftritt. Mit zitternder Pfote riß King Kong einst der schreienden Blonden die Kleider vom Leib, weitere Liebkosungen wurden dem brünftigen Affen untersagt. Richtig hinlangen darf hingegen das Gorillaweiblein Medusa. Schüchtern und schuldig muß Bing gestehen: So gut wie die Äffin hat's ihm noch keine besorgt.

„Thundercrack“, (OF), USA 1975, Regie: Curt Mcdowell, Darst.: Marion Eaton, George Kuchar. Eiszeit, Zeughofstraße 20, 8.–10.4., jeweils um 22.30 Uhr.