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Abpfiff kostet Millionen

■ Länderspielabsage: Vier Millionen Mark Schaden für DFB / Kartenrückgabe ungeklärt / 10.000 Betten umsonst reserviert

Wer derzeit beim Berliner Fußballverband (BFV) anruft und seine Karte für das abgesagte Länderspiel wieder in bare Münze umtauschen will, sieht sich enttäuscht: „Bitte informieren Sie sich über die Presse“, heißt es auf dem Anrufbeantworter lapidar. Gegenüber der taz versprach allerdings der Geschäftsführer des Verbands, Rainer Gentz, daß bis Montag entschieden sei, auf welchem Wege die 1,5 Millionen Mark aus dem Verkauf von bisher 50.000 Karten an die Fans zurückgegeben würden. Einen finanziellen Verlust, sagte Genz, hätte der BFV durch die Absage des Länderspiels nicht erlitten. Die Rockgruppe „Scorpions“, die man als Höhepunkt für das Rahmenprogramm verpflichtet habe, hätte auf jeden Fall kostenlos gespielt.

Neben den Berliner Hoteliers, die einen Verlust von 10.000 Übernachtungsbuchungen beklagen, trägt der Deutsche Fußballbund (DFB) mit einem Defizit von insgesamt vier Millionen Mark die Hauptlast der Absage aus England. Davon entfallen je die Hälfte auf Einnahmen aus dem Kartenverkauf sowie Fernseh- und Werbeeinnahmen. Mit Blick auf die Vorbereitung zur Fußball-WM in den USA suchte der DFB gestern einen neuen Testspiel-Gegner für die Mannen von Bundesberti Vogts. Wie aus dem DFB in Frankfurt verlautete, solle dieses Spiel aber auf keinen Fall im Berliner Olympiastadion stattfinden. Als Trostpflaster bleibt den fußballgeschädigten Berlinern damit lediglich die Zusage des DFB, eines der Qualifikationsspiele für die Fußball-Europameisterschaft 1996 in der Bundeshauptstadt auszutragen.

Während die Fußballverbände bereits an der Rechenmaschine sitzen, wird in der Öffentlichkeit über die Absage munter weitergestritten. Die Berliner Grünen forderten gestern den Präsident des Berliner Fußballverbands, Otto Höhne, auf, sich öffentlich zu entschuldigen oder aber zurückzutreten. Höhne habe, hieß es zur Begründung, die Gegner des Länderspiels als „Terroristen“ und „Gewaltanwender“ bezeichnet. Der BFV wies die Anschuldigung dagegen zurück. Höhne selbst konnte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Er weilte gestern bereits im wohlverdienten Urlaub.

Mit der Bezeichnung „Skandal“ meldete sich in einer RTL-Sendung indes auch CDU-Bundesfraktionär Heiner Geißler zu Wort. Skandalös sei allerdings weniger die Absage selbst als vielmehr die Tatsache, daß die Rechtsradikalen in Deutschland so stark geworden seien, daß es zu diesem Ergebnis gekommen sei, sagte Geißler. Ob die Mehrheit der Deutschen das ähnlich sieht, bleibt offen. Nach Angaben des Wickert- Instituts hätten immerhin 80 Prozent der Befragten kein Verständnis für die Absage gehabt. Mehr Verständnis und Fingerspitzengefühl bewies dagegen die Junge Union Hellersdorf. Sie forderte den Senat auf, am 20. April alle öffentlichen Einrichtungen zu schließen, damit Straßenschlachten vermieden werden. Uwe Rada

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