Berliner Atommüll nach Morsleben gebracht

■ Hahn-Meitner-Institut entsorgte die ersten einhundert schwachstrahlenden Fässer / Weitere Lieferungen folgen

Berlin hat zum ersten Mal radioaktiv verseuchte Abfälle aus Industrie, Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen in das umstrittene Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt gebracht. Zwei Pritschenlaster der Leipziger Firma Gamma-Service verließen das Gelände des Hahn-Meitner- Instituts (HMI) Dienstag nacht und kamen mit ihrer Ladung 100 gelber Fässer am Mittwoch morgen um 3.37 Uhr in Morsleben an, berichtete gestern das Bundesamt für Strahlenschutz auf Anfrage. Die eine Hälfte der sogenannten Rollreifen-Fässer enthielt Beton, dem radioaktive Flüssigkeiten beigemengt waren, in die andere Hälfte waren feste Stoffe gepreßt.

In der Landessammelstelle auf dem HMI-Gelände warten weitere 430 Kubikmeter schwachstrahlenden Atommülls auf ihren Abtransport. 280 Kubikmeter sind bereits sortiert, zerkleinert, gepreßt, zementiert und in insgesamt 1.380 Fässer abgefüllt worden. Das HMI wollte keine Angaben über die nächsten Strahlentransporte nach Morsleben machen. Bei der für die Erteilung der Transportgenehmigung zuständigen Sozialverwaltung sind noch keine neuen Anträge gestellt. Norbert Fuhrmann, Leiter der Abteilung Arbeitsschutz, rechnet allerdings „in absehbarer Zeit“ mit dem nächsten Transport. Die Fässer sollen an ihrer Außenwand maximal mit einer Dosis von stündlich zwei Millisievert strahlen. Das Gesundheitsrisiko für die Lastwagenfahrer und Unbeteiligte sei gering, sagte der Pressesprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz, Arthur Junkert. Um in etwa mit derselben Menge Radioaktivität bestrahlt zu werden wie bei einer Röntgenaufnahme nach einem Beckenbruch, müsse man sich etwa 15 Stunden auf ein Faß setzen. Zwar könne bei einem schweren Unfall nicht ausgeschlossen werden, daß Fässer platzen, doch seien auf Grund des geringen Gesundheitsrisikos die gesetzlichen Vorschriften der „Gefahrgutverordnung Straße“ erfüllt, wenn die Fässer nicht in Cointainern, sondern auf Pritschenlastern transportiert werden.

Die beiden mit Radioaktiv- Symbolen gekennzeichneten Laster seien nachts gefahren, weil in der verkehrsschwachen Zeit das Unfallrisiko geringer ist, berichtete Jürgen Reckin von Gamma-Service. Außerdem habe die Polizei auf der Nachtzeit bestanden. Die Fahrer seien mit Geigerzählern und Personendosimetern ausgerüstet gewesen, so daß sie auftretende Radioaktivität sofort messen konnten und ihre persönliche Belastung kontrolliert wurde. Bei Unfällen entscheiden die speziell ausgebildeten Mitarbeiter, ob sie selbst den Unfallort absichern oder aber über Autotelefon Polizei und Feuerwehr alarmieren. Reckin hielt die Gefahr der Transporte schwachradioaktiver Fässer für ungefährlicher als die Gefahren durch Tanklastzüge. Treibstoff sei brennbar und könne explodieren. Schon bei einem Auslaufen sei der Schaden für die Umwelt erheblich.

Im vergangenen Jahr hatten Krankenhäuser und Forschungseinrichtungen 58 Kubikmeter schwachverseuchten Abfalls wie Geräte, Handschuhe oder Reste von Experimenten an die Landessammelstelle abgegeben. Weil die Kapazität von 1.400 Fässern nahezu ausgeschöpft war, plante der Senat im vergangenen Jahr den Bau eines neuen Atommüllagers. Durch die Lieferungen in das Endlager in Morsleben kann nun auf den Ausbau verzichtet werden. Dirk Wildt