■ In den USA ist die Homo-Ehe längst eine „coole Sache“:
: Homophilie, 'ne prima Werbestrategie

Washington (taz) – Möbelgeschäfte und Generäle zählen in der Regel nicht zur Avantgarde gesellschaftlicher Reformer. Auf diese Faustregel glaubte sich der Washingtoner Kardinal James Hickey auch dieses Jahr verlassen zu können – und bereitete sich auf ein geruhsames, andächtiges Osterfest vor. Aber dann platzten die Möbelkette Ikea und der Surgeon General dazwischen.

Bei letzterem handelt es sich nicht um den Kommandanten einer neuen Waffengattung, sondern um den, genauer gesagt: die ranghöchste Beamtin des öffentlichen Gesundheitswesens in den USA. Dr. Jocelyn Elders, FOBH (Friend of Bill and Hillary) aus dem Bundesstaat Arkansas, zeichnet sich auf diesem Posten nicht nur durch solides Fachwissen, sondern auch durch einen ausgeprägt gesunden Menschenverstand und eine Rhetorik aus, die von keinem politischen Kalkül getrübt wird. Die Legalisierung von Drogen hält sie für eine ebenso bedenkenswerte Idee wie die Verteilung von Kondomen an amerikanischen High-Schools.

Wann immer Elders eine Pressekonferenz oder ein Interview gibt, gerät der Präsident deshalb ins Schwitzen – und der amerikanische Klerus in Rage. Dieses Mal platzte die Generalin in die vorösterliche Besinnlichkeit mit der Äußerung, der liebe Gott habe auch noch an etwas anderes als Fortpflanzung gedacht, als er den Sex erfand. Im übrigen, so Elders, seien homosexuelle Paare ebenso in der Lage, in stabilen Beziehungen zu leben, wie Heterosexuelle. Ergo gebe es gegen Kinderadoption durch schwule und lesbische Paare überhaupt nichts einzuwenden.

Der Kardinal wähnte sich Sodom und Gomorrha wieder ein Stück näher und diktierte einen geharnischten Brief an den Präsidenten. Die Menschenrechte von Homosexuellen zu verteidigen (!), schrieb Hickey, könne ja noch angehen. „Aber diesen Lebensstil gutzuheißen“ – nein, das ginge nun doch wirklich zu weit.

Nach dieser Eruption vorösterlicher Kirchenmoral schien die Ruhe wieder hergestellt. Doch kurz vor Karfreitag holte Ikea zum nächsten Schlag gegen Hickeys Weltbild aus. Nicht mit einem Inbusschlüssel, sondern mit einem Werbespot: Erstmals in der TV- Geschichte der USA wirbt ein offen schwules Paar für Konsumartikel – nicht für Teppiche, die in Pakistan von Kinderhand geknüpft und von dem Möbelkonzern vertrieben werden – nein, ein Eßtisch soll es sein.

Ikea wird im Amerikanischen wie ein indianischer Kampfschrei ausgesprochen: Aii-Kiah. Werbestrategisch hat sich der schwedische Möbelkonzern nicht durch übermäßige Originalität ausgezeichnet. PR-Slogan für den US- Markt: „Dies ist ein großes Land. Irgendeiner muß es ja möblieren.“ Aber seit ihre Werbefiguren „Mitch“ und „Steve“ in dem 30-Sekunden-Filmchen über ihre Beziehung, die Qualität von Eßtischen und die Vorzüge von Ausziehplatten für den Nachwuchs plaudert, ist Ikea in aller Munde – und den Hickeys im Lande steht der Schaum vor selbigem.

Bei allem Beifall, den die Damen und Herren aus der PR-Etage verdienen – viel Risiko geht der Möbelkonzern nicht ein: Denn Zielgruppe des Spots sind weniger homosexuelle KonsumentInnen als vielmehr die heterosexuelle Mehrheit potentieller Ikea-KundInnen, die es längst „cool“ finden, tolerant und aufgeklärt shoppen zu gehen. Auch das ist Fortschritt. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Und Boykottdrohungen und Auftragsstorni aus dem Hause Hickey dürften kaum zu Buche schlagen. Ikeas Marktanteile bei der Produktion von Kirchenbänken sind eher minimal. Andrea Böhm