Gewünscht: Konrad aus der Konservendose

■ betr.: „Kleine Nervensägen wider Willen“ (Zappelkinder: eine Krankheit), taz vom 22.3.94

[...] Wenn wir in der Geschichte dieser „Krankheit“ wühlen, stellen wir gar merkwürdige Zusammenhänge fest. So stellen die von ÄrztInnen verschriebenen Mittel wie Ritalin eine erhebliche Profitquelle für die Pharmaindustrie dar. In Nachweisen für den Erfolg dieses Mittels wird eine Verbesserung beim Kind definiert als „eine konsistente positive Beeinflussung des Verhaltens, das von Lehrern als störend und sozial unangemessen wahrgenommen wird“. (Cattwell, 1980, S. 148). Dementsprechend taucht Hyperaktivität auch vor allem in der Schule auf.

In einer anderen Untersuchung konnte das Verschwinden der Hyperaktivität beim Übergang zum Arbeitsmarkt festgestellt werden (Weiss et al., 1975, 1978). Vereinfacht gesagt verhält sich ein Kind nicht gemäß der an es gestellten Erwartungen, wird es als krank definiert. Davon profitieren die ÄrztInnen und die Pharmaindustrie, so sie ihr Medikament an das Kind bringen. [...]

Mit dem Druck in der Leistungsgesellschaft nahm auch die „Krankheit“ Hyperaktivität zu. In einer Gesellschaft, in der nur Leistung zählt, die daran gemessen wird, wie Kinder in der Schule stillsitzen und Vorgegebenes lernen sollen, werden Kinder „krank“. Vielleicht werden sie es sogar wirklich. All diese Zusammenhänge vernachlässigt die Autorin. Profitinteressen der Pharmaindustrie, Elterninteresse an stillen leistungsfähigen Kindern oder ihr Bedürfnis nach Lebensinhalt, den sie über die Sorge um ihr Kind gewinnen.

[...] Ich möchte nicht in Abrede stellen, daß eine Behandlung auch der Kinder angezeigt sein kann. Auf undifferenzierte Weise an das Thema heranzugehen kann jedoch nur schädliche Folgen haben, gerade wenn es sich um ein Problem derartiger gesellschaftlicher Brisanz handelt. Christoph Burger, Berlin