Energiepreise unter Strom

■ Zweistellige Strompreiserhöhung geplant, doch keiner will es bestätigen /Droht neuer Koalitionskrach zwischen SPD und Statt? Von Marco Carini

Der nächste Gebührenschocker im Jahr eins nach der Hamburger Bürgerschaftswahl: Nach Müllgebühren, HVV-Tarifen und Mieten bei Sozialwohnungsneubauten sind nun die Stromtarife dran. Um satte 17,3 Prozent, so fordert Finanzsenator Ortwin Runde in einer vertraulichen Senatsvorlage nach Informationen der Bild-“Zeitung“, sollen die Strompreise im Januar 1995 klettern. Für den durchschnittlichen HEW-Kunden würde das eine Erhöhung der Stromrechnung um jährlich knapp 170 Mark bedeuten.

Die Finanzbehörde dementiert entschieden. Runde-Sprecherin Anette Verhein-Jarren: „Die Darstellung der Bild ist falsch, zur Zeit wird über Tariferhöhungen gar nicht gesprochen“. Auch die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) zeigten sich gestern über die angeblichen Runde-Berechnungen „irritiert“ – sie haben noch nicht einmal einen Tariferhöhungs-Antrag für 1995 gestellt.

Nicht bestätigen wollten die HEW zudem, daß sie selbst eine rund zehnprozentige Strompreiserhöhung im kommenden Jahr für erforderlich halten, wie es Bild berichtet hatte. Ein HEW-Mitarbeiter: „Diese Zahl kommt nicht aus unserem Haus“.

Diesem Verwirrspiel zum Trotz ist klar, daß sich Hamburgs StromverbraucherInnen im kommenden Jahr auf höhere Preise einstellen müssen: Denn der Senat plant unter Federführung der Baubehörde (die sich gestern überhaupt nicht äußern mochte), die sogenannte Konzessionsabgabe der HEW um gut zwei Pfennige pro Kilowattstunde anzuheben. Bezahlte der Hamburger Stromversorger bislang eine Gebühr von 2,68 Pfennigen für jede von den HEW-Tarifkunden verbrauchte Kilowattstunde an die Stadt, sollen es in Zukunft 4,69 Pfennige sein.

Die ausgeblutete Staatskasse würde so jährlich über 70 Millionen Mark Zusatzeinnahmen verbuchen, der Stromverbraucher rund 2,5 Pfennige pro Kilowattstunde mehr zahlen – etwa 8 Prozent mehr als zur Zeit.

Doch damit droht der Hamburger Regierung bereits der nächste Koalitionskrach. Die Erhöhung der Konzessionsabgabe sei „sozialpolitscher Unsinn“, dem er „nicht zustimmen“ werde, schoß sich Statt-Fraktionschef Markus Wegner auf die Genossen ein. Der Stromkunde solle jetzt „die leeren Staatskassen füllen“ und für eine „jahrelange Mißwirtschaft“ der HEW „haftbar gemacht werden“.

Doch die geplante Konzessionserhöhung ist nicht das einzige Indiz, das für eine rapide Strompreiserhöhung im kommenden Jahr spricht: Für rund 150 Millionen Mark mußten die HEW im vergangenen Jahr Ersatz-Strom für den Ausfall der Riß-Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel ankaufen. Jeder weitere Monat, den die beiden Meiler abgeschaltet bleiben, kostet die HEW rund 15 Millionen Mark und damit noch mehr als die geplante Konzessionserhöhung. Da auch diese Kosten auf den Verbraucher abgewälzt werden müssen, dürfte eine 17,3prozentige Tarif-Erhöhung der Realität recht nahe kommen.

Versüßen wollen die HEW eine Strompreiserhöhung durch stärker „verbrauchsabhängige“ Tarife. EnergiesparerInnen würden danach finanziell entlastet werden, Haushalte mit höherem Stromverbrauch müßten bis zu 1,5 Pfennige pro Kilowattstunde mehr berappen.

CDU-Fraktionschef Ole von Beust kritisierte, daß Finanzsenator Runde „die HEW zu einer maßlos überzogenen Tarifanhebung zwingen will“, die diese „gar nicht wolle“. Für den energiepolitischen Sprecher der GAL, Alexander Porschke, ist die Tariferhöhung hingegen Ausfluß sozialdemokratischer Atompolitik: „Strompreiserhöhungen, weil die Schrottreaktoren der HEW stillstehen, sind völlig inakzeptabel“.