Auf zur letzten Instanz

■ Jeder Bürger kann beim Petitionsausschuß gegen Behördenentscheidungen Beschwerde einlegen / Im letzten Jahr kam von über 2.500 Bittstellern nur jeder vierte zu seinem Recht

Bis zum Fall der Mauer lebte Gerhard Wolff* zufrieden und sicher in einem denkmalgeschützten Haus in Westberlin. Als er Berichte über die sprunghaft angestiegene Kriminalität im wiedervereinigten Berlin las, bekam er es mit der Angst zu tun. Denn in seiner Wohnung befindet sich ein ebenfalls zum Baudenkmal erklärtes Wandgemälde. Zum Schutz vor Langfingern ließ er auf eigene Rechnung eine Alarmanlage einbauen. Da Wolff die teure Alarmanlage nicht in erster Linie zur Sicherung seiner Siebensachen hatte einbauen lassen, sondern um das geschichtsträchtige Gemälde im Interesse der Allgemeinheit vor Schäden zu bewahren, erhoffte er sich von seinem Vermieter einen Zuschuß zu der teuren Anlage und den laufenden Betriebskosten. Doch weder die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft noch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, zuständig für den Denkmalschutz, waren bereit, Zuschüsse zu gewähren. Also beauftragte Wolff seinen Rechtsanwalt, sich an den Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses zu wenden.

Für viele Bürger, ob Deutsche oder Ausländer, ist der Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses die letzte Instanz, um sich gegen Verwaltungsentscheidungen zu wehren. In der Zeit zwischen Februar 1993 und Februar 1994 wurden mehr als 2.500 Bitten und Beschwerden bearbeitet, ein Viertel davon mit positivem Ergebnis. Jeder, der die zuständigen Stellen wie Bezirksämter bzw. Bürgermeister oder Senatsverwaltungen schon abgeklappert hat, kann sich an den Petitionsausschuß wenden, der das Verhalten oder die Entscheidungen von Berliner Behörden überprüft und Empfehlungen an den Senat beschließen kann. Die siebzehn Mitglieder aller Fraktionen kommen jede Woche zusammen und versuchen ihre Entscheidungen einstimmig zu treffen, obwohl die einfache Mehrheit reichen würde. Aus datenschutzrechtlichen Gründen finden die Sitzungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Die meisten Beschwerden kamen im letzten Jahr von AusländerInnen, die um Unterstützung zur Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsrechts baten. Von den mehr als 200 Eingaben konnte der Ausschuß aber nur in wenigen Fällen helfen. Mehr Erfolg hatte er bei Familienzusammenführungen, nachdem die Ausländerbehörde schon negativ entschieden hatte.

Auch die Sparbeschlüsse im sozialen Bereich veranlaßten viele BerlinerInnen zu Beschwerden und Eingaben. Hunderte Zuschriften gingen beispielsweise gegen die drohende Schließung öffentlicher Bibliotheken ein. Nachdem sich die Ausschußmitglieder an den Senat gewandt hatten, trotz der schwierigen Haushaltslage die Stadtbüchereien zu erhalten, konnte zumindest ein Teilerfolg erzielt werden. Die Anzahl der Beschäftigten wurde vorerst beibehalten und beschlossen, ein neues Konzept auszuarbeiten.

Auch Sammelpetitionen mit mehreren tausend Unterschriften waren keine Seltenheit. Fast die Hälfte der mehr als 200 Petitionen aus den Bereichen Familie, Jugend, Volksbildung und Sport konnte positiv entschieden werden. So führten die massiven Beschwerden in bezug auf das Kita- Kostenbeteiligungsgesetz immerhin dazu, daß das Abgeordnetenhaus mit dem Beschluß des 4. Gesetzes zur Änderung des Kita- und Tagespflegekostenbeteiligungsgesetzes Änderungswünschen besonders betroffener Eltern entsprach.

Auch Gerhard Wolff mit seinem diebstahlgesicherten Wandgemälde kam mit Hilfe des Ausschusses zu seinem Recht und Geld. Nach einem Ortstermin, an dem die Wohnungsbaugesellschaft, der Landeskonservator und ein Vertreter des Petitionsausschusses teilnahmen, war der Vermieter bereit, die laufenden Kosten der Alarmanlage zu übernehmen und sich an den bisher entstandenen Kosten zu beteiligen. Barbara Bollwahn

* Name von der Redaktion geändert