Der Kännchenzwang muß weg!

■ Menschenverachtende Bewirtungspraktiken erreichen jetzt auch das für Generationen tanzbegeisterter Kaffeefreunde berühmte Café Hopf in Kelheim

Das Plattencafé Hopf in Kelheim ist für Generationen tanzbegeisterter Kaffeefreunde Zufluchtsburg an trüben Sonntagnachmittagen. Die weit über den Bereich Kelheims, teilweise bis über das Donauknie hinauswirkende Stätte sinnenfrohen Tanzvergnügens irritierte seine zahlreichen Freunde mit einer im heutigen Gastgewerbe zwar leider weitverbreiteten, im Kreise Kelheims bislang jedoch weithin unbekannten, nur frohsinnsfeindlich zu nennenden Maßnahme aufs schwerste.

Mit der Einführung des Kännchenzwangs glaubte Adolf Hopf, der Betreiber des Plattencafés, die Neigung seines Publikums zu einem Täßchen seines zu Recht vielgerühmten, stets frisch gebrühten Kaffees in für ihn noch ertragreichere Bahnen lenken zu können.

Zwar gehört der Kännchenzwang in Wirtsgärten und auf Caféterrassen schon lange zum umfangreichen Schikanen-Repertoire des deutschen Gastgewerbes, doch daß nun ausgerechnet „das Hopf“, das lange Zeit ein uneinnehmbares Bollwerk des Tassenprinzips schien und bis in die jüngste Vergangenheit den tassenweisen Genuß des köstlichen Brühgetränks ermöglichte, mit der Ausweitung des Kännchenzwangs auf die – unleugbar geschmackvoll ausgestatteten – Innenräume denselben auf eine neue Stufe der Perfidie emporgehoben hat, hat wohl so manchen Plattenfreund am Zustand unserer Gesellschaft irre werden lassen. Denn war es nicht gerade das „gemeine Fußvolk“, das Adolf Hopf immerhin 36 lange Jahre buchstäblich die Butter aufs Brot getanzt hatte? Und wurden durch die Neuerung nicht gerade die Schwächsten der Gesellschaft gleichsam vor den Hopf gestoßen?

Nicht jeder der Tanzsportfreunde, der nach einer besonders schmissigen Rumba gerne ein Täßchen Bohnenkaffee zu trinken gewohnt war, will sich gleich ein ganzes Kännchen zumuten – sei es, um sich nicht durch ein Zuviel vom aufputschenden Getränk die sichere Schrittfolge durcheinanderbringen zu lassen, sei es aus Gründen der Kostendämpfung.

Und nicht jedem Kaffeetrinker ist es angenehm, den Aufguß direkt aus dem Kännchenschnabel zu sich zu nehmen – hatte Hopf doch in der ihm eigenen „Wenn schon, denn schon“-Haltung seit der Einführung des Kännchenzwangs auf die Bereitstellung von Tassen nunmehr gänzlich verzichtet.

So ist es kein Wunder, daß der einst florierende Bewirtungsbetrieb binnen kurzem verödete. Auf seine – wie lange noch? – immer spiegelblanke Tanzfläche verirren sich nur höchst selten Tanzpaare. Daran konnte auch die bewährte, vornehmlich der Pflege deutschen Liedguts verpflichtete Plattenlegerkunst eines Adolf Hopf nichts ändern. Sicher, dann und wann folgt noch eine Busladung Tanzbegeisterter aus dem Erzgebirgischen dem legendären Ruf des Hopf, doch ein „Geheimtip“ ist es schon längst nicht mehr, und spätestens bei der Durchsicht der Getränkekarte geht das große Murren los, das Hopf wohl die längste Zeit mit „La Paloma bianca“ hat übertönen können.

Und daß schließlich durch die Anwendung dieser menschenverachtenden Bewirtungspraktiken auch Tanzpfarrer Goehse sich nicht länger in der Lage sieht, seinen beliebten Tango-Gottesdienst in den Räumlichkeiten des Plattencafés abzuhalten, wird wohl nur der blindeste Verfechter des Kännchenzwangs verurteilen und hätte Hopf im Grunde von vornherein klar sein müssen.

Denn, seien wir doch mal ehrlich: Der Anblick einer verzückt aus Kännchenschnäbeln nuckelnden, sich am heißen Trank labenden Tanzsportgemeinde vermag weder den Liebhaber gehobener Kaffeehauskultur noch den Anhänger zeitgemäßer Andachtsformen vollständig zu befriedigen. Rüdiger Kind