■ Exportkontrollgesetze
: Mühsam geschaffene Minimalstandards

Ohne einheitliches Exportkontrollregime der Europäischen Union werde die deutsche Rüstungsindustrie ins Abseits geraten. Niemand werde mit ihr kooperieren, weil für die anderen Länder die deutschen Exportkontrollen nicht akzeptabel seien. So lautet das Menetekel der Rüstungslobby. Die Bundesrepublik hat ökonomisch und politisch außerordentlich davon profitiert, daß völkerrechtliche Vereinbarungen und ein politischer Konsens links von der CSU die Militarisierung der Industrie beschränkt haben. Man kann nur hoffen, daß es konservativen Kräften nicht gelingt, historische Lernprozesse endgültig mit Hilfe einer europäischen Legitimation zu kassieren.

Anders die Situation in Frankreich: Die Rekonstruktion der Nation nach Vichy war mit dem Aufbau einer ökonomisch längst nicht mehr haltbaren, Atomwaffen einschließenden Rüstungsindustrie verknüpft. Dieser sakrosankte Konsens wird im gerade veröffentlichten Weißbuch zur Verteidigung fortgeschrieben. Zyniker behaupten inzwischen nicht ganz zu Unrecht, britische Kabinette seien längst zu einer Verkaufsagentur der krisengeschüttelten Rüstungsindustrie verkommen. Doch technologische Innovation findet schon lange vor allem in dynamischen zivilen Sektoren statt. Militärische Ausrüstung bedeutet heute eine intelligente Nutzung ziviler Technologie. Diese Einschätzung wird von führenden deutschen Rüstungsmanagern geteilt, aber – solange es noch Pfründe abzuholen gilt – nicht allzu laut vertreten.

Aus diesem Grunde ist eine Kooperation mit den britischen und französischen Rüstungsreservaten einer vergangenen Epoche mittelfristig nicht vernünftig. Ein Drittel deren Umsatzes hängt seit 15 Jahren von der irrationalen Aufrüstung der arabischen Erdöldiktaturen ab. Sie haben keine Perspektive. Eine einheitliche Exportkontrollregelung für Rüstungsgüter käme dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen des Status quo ante in jenen Ländern gleich, deren Exportpolitik zur verzweifelten Förderung der Rüstungsreservate degeneriert ist.

Eine zukunftsweisende europäische Sicherheitspolitik muß eine auf Interessenausgleich ausgerichtete Außenwirtschaftspolitik sein. Daher muß es bei den mühsam geschaffenen Kontrollregelungen im wohlverstandenen europäischen Interesse – auch der deutschen Exportwirtschaft – bleiben. Ihr Ruf und ihre Geschäfte werden durch Exportskandale beeinträchtigt.

In der Einhegung militaristischen Erbes haben Frankreich und Großbritannien Nachholbedarf. In diesem Falle profitiert Europa, wenn es der mühsam entwickelten deutschen Position folgt. Dies setzt voraus, daß das deutsche Kontrollregime weiter verbessert wird, bis Europa reif ist, es zu übernehmen. Nicht ein freier Markt, sondern die Möglichkeit und Bereitschaft, aus der Geschichte zu lernen, legitimieren Europa. Peter Lock

Der Autor ist Friedensforscher in Hamburg