Mit Sinn für Stil

■ Alfred Biolek, ein wunderbarer Plauderer? Eine Hommage

Es ist so leicht, einen Mann schriftlich zu exekutieren, den dieses Blatt schon mal einen „grenzenlos aufgeschlossenen Richard von Weizsäcker der ersten Reihe“ nannte. Einen, der nur fürs „Gehoben-Seichte“, für den „akademisch geschulten Smalltalk“ zuständig sei. Einer eben, der bestenfalls dezent provoziere.

Die Rede ist natürlich von Alfred Biolek, von einer der wohlhabensten Fernsehfiguren der Republik, dessen Bildschirmpräsenz sich einmal in der Woche so angenehm abhebt vom Gesülz der Gottschalks & Co., selbst vom bedenkenträgerischen Gestammel der bremischen „Drei nach neun“- Leute und vom stammtischseligen Gebell der immer noch erfolgreichen „NDR-Talkshow“, daß man ihm eigentlich täglich danken möchte für so viel Eleganz – nicht nur beim Outfit.

Gewiß, Biolek ist nicht der Typ, dem man schrecklichste Enthüllungen zutraut, die Investigation gehört nicht zu seinen Stärken. Beißhemmungen werden ihm gerne attestiert. Ein höchst oberflächlicher Vorwurf, bekommt Biolek doch wie kein zweiter aus seinen Gästen etwas heraus, das über die allgemeinen Werbe-Verlautbarungen hinausgeht.

Dabei lächelt er immer, der Mann. Nie würde er sagen: Sie lügen. Oft hakt er nach: Ich habe noch gehört... Seine Körpersprache deutet darauf hin, daß er sich wie in einem Wohnzimmer fühlt – ganz wie seine Gesprächspartner, die – traut geworden – so manches ausplaudern, was sie vielleicht lieber für sich behalten hätten.

Biolek macht nichts Spektakuläres. Und genau das ist seine Stärke in einer TV-Landschaft, die unentwegt Sensationen und Rührungen verspricht und schließlich doch meist nur Lauheiten und Sentimentalitäten versendet. Daß Biolek, der alles Provinzielle haßt und vom Outfit so stilsicher daherkommt wie die Schreinemakers proletenhaft-kumpelig, seit der Outing-Aktion Rosa von Praunheims entspannter vor der Kamera wirkt, muß damit zusammenhängen, daß er inzwischen zu wissen scheint: Ich werde mindestens gemocht als schwuler Mann.

Kein Wunder, daß er es riskiert, in fast jede seiner Sendungen einen Homo einzuladen. So wirkt es immer wie ein Geplauder unter Gleichen, eine Spur bizarr, etwas abseitig, auf jeden Fall unterhaltsam. Daß er nicht die Radikalität verkörpert, die Rosa von Praunheim immer für sich beanspruchte, macht Biolek nur ehrlicher: Wer hat schon Lust, sich medial auf die Rolle des Homofreischärlers festlegen zu lassen? Jan Feddersen