Ohne Hang zum Mut

■ Alfred Biolek, ein hasenfüßiger Plapperer? Keine Hommage

Eines muß man immer noch vorausschicken: Wenn von Homosexualität die Rede ist, geht es nicht per se um den Unterleib. Daß dabei noch eine Menge mehr zum Vorschein kommt, hat nicht zuletzt von Beginn seiner TV-Karriere an Alfred Biolek bewiesen. Der machte schon schwules Fernsehen, lange bevor die Bewegung sich vor und hinter der Kamera probierte.

Das merkten die schwulen Insider und kicherten vor Vergnügen, wenn der Sugardaddy vom Rhein seine und ihre Ikonen präsentierte, oder Themen ansprach, an die sich der gewöhnliche Heterosexuelle nicht heranwagte. Der große unbedarfte Rest der Republik konstatierte lediglich, daß dieser Talkmaster so ganz anders war als die anderen und lobte ihn als „elitär“ oder „weltstädtisch“, als „kosmopolit“ oder so „wunderbar tolerant“.

Der Zeit der Unschuld war mit dem Praunheimschen Outing-Desaster vorbei. Zwar ging das Enttarnungsprogramm des Schwätzers bei Biolek nicht auf, denn er ist bis heute noch nicht offen für seine Minderheit in die Bütt gestiegen. Doch kommt eigentlich niemand mehr daran vorbei, die Quelle der Biolekschen Kreativität in dessen besonderer Lebensweise zu sehen. Eigentlich. Denn darüber redet man nicht – der Meister selbst am allerwenigsten.

Sein letzter erfolgreicher Coup, „Boulevard Bio“, ist derweil ein einziger Tummelplatz der hiesigen Schwulenprominenz mit all ihren guten Freundinnen im Schlepptau, aber das eine oder andere offene Wort folgt noch längst nicht daraus. Da hat die Plaudertasche beispielsweise die schwulen Komiker Bach und Kerkeling zu Gast und fragt danach, warum sie denn so gerne immer wieder in Frauenkleidern agieren. Und – na, warum wohl? – es kommt nur heiße Luft, öffentlich-rechtliches Geplapper, ein Thema wird verschenkt und die Tarnkappe wieder aufgesetzt. Derlei Beispiele für gekonntes Gentleman's Agreement lassen sich fast jeden Dienstag entdecken. Da sitzt man dann davor, kann nur noch gequält ins Kissen beißen und wundert sich, daß der Mann so gar nicht souverän ist, kein bißchen weltoffen, überhaupt nicht selbstbewußt und ohne Hang zum Mut.

Der Hochdekorierte setzt lediglich die Travestie einer Mary von Zentis fort auf gehobenem Niveau. So wie die Fummel-Diva aus dem Mustopf serviert Biolek gekonnt den anderen Blick und den anderen Humor, und es wird doch nicht mehr daraus als ein exotisches Sahnehäubchen im sonstigen Einerlei. Das Tabu bleibt bestehen. Elmar Kraushaar