■ Ökolumne: Machtinstrument Ökologie Von Vandana Shiva
Die Versuche, globales Umweltmanagement an eine Handelsorganisation wie die jetzt diskutierte Welthandelsorganisation (WTO) anzubinden, sind politisch, ökologisch und ökonomisch verfehlt. Auch wenn sich die Begründungen unterscheiden, besteht doch ein wachsender Konsens darüber, daß das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) und seine potentielle Nachfolgerin, die Welthandelsorganisation (WTO), nicht die geeigneten Plattformen sind, um über Umweltfragen zu entscheiden. Denn die Vorschläge dazu kleiden sich nur in ein Umweltmäntelchen, zielen in Wirklichkeit aber darauf ab, den Protektionismus aufrechtzuerhalten und die Dominanz der USA bei globalen politischen Entscheidungen weiter auszubauen.
Die US-Regierung und inFoto: Ann Stafford
Washington an-
sässige Umweltschutzorganisationen könnten Handelssanktionen gegen Umweltsünder mit ihrer wachsenden Sorge für die Umwelt in den Entwicklungsländern begründen. Diese Anteilnahme lassen sie allerdings gänzlich vermissen, wenn es darum geht, die auf dem Erdgipfel in Rio 1992 eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen oder sich darum zu kümmern, daß die US-amerikanischen Umweltprobleme nicht mehr in den Süden exportiert werden.
Ein Handelsverbot für Güter, deren Verkauf im eigenen Land untersagt ist, fand beispielsweise keinen Platz im Gatt-Abkommen, weil die USA viel darum gaben, den Handel mit Pharmazeutika, Pestiziden und anderen Chemikalien fortsetzen zu können. Und die grünen Aktivisten in den USA schweigen über die wichtige Rolle, die ihre Regierung und ihre Unternehmen bei der Ausfuhr von Umweltrisiken spielen. Diese Doppelmoral deutet darauf hin, daß es den Befürworter eines Grünen Gatt keineswegs um den Schutz der Umwelt geht, sondern allein um die Wahrung politischer wie wirtschaftlicher Interessen.
Wenig praktikabel sind auch die sogenannten handelsrelevanten Umweltmaßnahmen (TREMs). Damit werden wieder einmal ausschließlich die Produzenten aus dem Süden, etwa die Tropenholzverarbeiter, am Pranger stehen. TREMs können nur effektiv und gerecht sein, wenn drei Grundvoraussetzungen erfüllt sind: Die Verursacher von Umweltschäden müssen eindeutig identifizierbar sein. Der genaue Einfluß eines Produktionsverfahrens auf die Umwelt muß genau bestimmbar sein, und zwar einschließlich aller ökologischer Kosten. Außerdem muß auch Klarheit herrschen über die Leidtragenden einer bestimmten Umweltschädigung und das Ausmaß der Folgen.
Aber auch wenn man sich an diese Kriterien hielte, würden die Reisproduktion in den USA und die Fleischerzeugung in den Niederlanden sicher nicht in die Schußlinie der Kritik geraten. Bei der Beurteilung des Reisanbaus in den Vereinigten Staaten beziehungsweise den Folgen des freien Welthandels mit Reis müßte in Betracht gezogen werden, welche Folgen die Ausbeutung der Böden, der Wasserverbrauch und der Einsatz von Chemikalien hat. In die Gesamtrechnung mitaufgenommen werden müßten auch die Kosten für den Transport des Reises in Länder, wo dieser ursprünglich angebaut wurde, wo er bisher im Rahmen der dortigen Landwirtschaftspolitik geschützt war. Nicht außer Acht gelassen werden dürften dann auch die sozialen und ökologischen Folgen der Aufgabe der Reisproduktion in den traditionellen Anbaugebieten. Aber Gatt ist nicht der richtige Ort für solche Beurteilungen, denn es hat nicht die ökologische Kompetenz, und es ist nur für Regierungen verbindlich, nicht aber für die multinationalen Konzerne.
Eine wirkliche Bewertung globaler Produktionssysteme im Hinblick auf Schäden an unseren Lebensgrundlagen braucht aber eine unabhängige Forschung, die alle Umweltkosten des freien Handels ermittelt, und zwar bevor der Faktor Umweltverträglichkeit als Handelskriterium eingeführt wird. Solange diese Hausaufgabe nicht erledigt wird, sind die TREMs nichts als ein weiteres Instrument der Mächtigen und Einflußreichen und bringen den Umweltschutz keinen Schritt weiter.
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