■ Schöner leben
: Die Pfennigpest

Heute wollen wir berichten von einem märchenhaften Land, wo der Arme geachtet und dem Reichen mit Bargeld unterm Arm die Tür gewiesen wird. Oder jedenfalls so ähnlich. Aber von vorn:

In einer Art dumpfer, unreflektierter kapitalistischer Früherziehung halten wir unser Kind (4) an, geschenkte und auf dem Fußboden gefundene Geldstücke in ein Sparschwein aus Plastik zu geben. Ostern ist dann jedesmal Schlachtfest. Der Hintergedanke: Immer mehr Eltern schenken zu Ostern wie verrückt und wie Weihnachten, das finden wir widerwärtig, doch mit dem Schwein kann sich Unserer selbst was kaufen. Genial, nicht wahr?

Wir also Osterdienstag das Schwein abgestochen, das Kleingeld zu Türmchen gehäuft (27,80 Mark), in amtliche Papierrollen gewickelt und rein ins Vergnügen: in die Stadt. Der Kleine glüht. Erstmal das Kleingeld wechseln. Nehmen wir die Post. „Oooooh nein, wir sind doch keine Bank,“ wehrt der Schalterbeamte das Ansinnen ab, als wäre es degoutant, und weist uns die Tür. Können kleine Kunder betreten gucken? Sie können!

Die feine Commerz-Bank? Ein knapper Bescheid, indigniert: nur für Kunden. Das geliebte Geld verwandelt sich in den Händen des Kleines in etwas fremdes. Doch da: die BfG-Bank! „G“ wie „Gemeinwohl“! Der Kassenwart blickt uns an, als hätten wir die Pest. „Diesen Service bieten wir schon lange nicht mehr an. Aber bitte ... (mit Blick auf die Tränen des Kleinen), ich muß allerdings pro Rolle eine Mark Gebühr berechnen.“

Etwas zerbricht in mir. Das war das Vertrauen ins Kapital. Der Kerl hat die Stirn, für die Entgegennahme einer Rolle mit 50 Pfennigen eine Mark Gebühr zu fordern! Ich schnappe Geld und Kind und wir kaufen einen feuerroten Absetzkipper mit Mulde von Siku für 25,80 Mark (Papiergeld).

Tags darauf bringen wir das Kupfergeld zum Schrotthändler. Die Groschen kommen in den Taxifahrerbrunnen, sollen die sich rumärgern. Und der Kleine wird jetzt biblisch erzogen. Er soll's machen wie die Vögel: Die sparen nicht, die zählen nicht, und die kämen nie auf die Idee, irgendetwas zur Bank zu tragen außer Vogelscheiße.

Burkhard Straßmann