■ Stadtmitte
: Der Sport muß nationalistisch abrüsten

In der Debatte um das Länderspiel am 20. April wurde das Spiel England–Deutschland immer wieder als ganz normales Sportereignis charakterisiert. Bei solcher Darstellung wird bewußt der nationalistische Charakter von Länderspielen heruntergespielt und von einer längst überfälligen Debatte im Sport abgelenkt.

Daß der Sport in der Blockkonfrontation eine ganz besondere Rolle spielte, wird keiner ernsthaft bestreiten wollen. Gedopte, mit modernster Technik hochgerüstete SpitzensportlerInnen als „Speerspitzen“ der Nation gab es auf beiden Seiten.

Aber anstatt im deutschen Sport abzurüsten, wurde das Singen der Nationalhymne zur Pflicht erhoben und deutsche Symbolismen gepflegt. Wir Deutschen sind wieder wer, auch im Sport. Dabei werden auch im Sport, wie die jüngste Entscheidung des DFB zeigte, ganz bewußt politische Realitäten nicht zur Kenntnis genommen.

Im Gegenteil, das Anzünden von Flüchtlingsheimen oder die Mobilisierung zum 20. April werden als Taten einzelner, verwirrter Rechtsextremer verharmlost. Die Scheinheiligkeit, mit der die Politik den Rechten Argumente und Mobilisierungspunkte liefert, entlarvt ihr Gerede von Gastfreundschaft und Integration. Tatsächlich werden die wenigen Rechte der AusländerInnen in der BRD täglich reduziert.

Aktionen wie „Mein Freund ist ein Ausländer“ oder die Postkartenaktion der Olympia GmbH können dabei vom Nationalismus im Sport nicht ablenken, sondern wirken aufgesetzt und bestärken eher den täglich gelebten Nationalismus.

Solange der Sport ein Instrument der Politik ist, dient er vor allem dem Wecken und der Festigung nationaler Stärkegefühle. Auf diesem Boden gedeiht dann auch faschistisches Gedankengut besonders stark. In Berlin und Umgebung sind rassistische Äußerungen gerade auch auf den Fußballplätzen keine Seltenheit. In der Amateur-Oberliga zum Beispiel sind die Fans und die Spieler von Türkiyemspor immer wieder Beleidigungen und Angriffen ausgesetzt. Rassistische Hetze gegen dunkelhäutige Fußballspieler ist bittere Normalität. Eine wirkliche Integration von ausländischen MitbürgerInnen wird es nur geben, wenn das Miteinander im Alltag und im Sport nichts Besonderes mehr ist. Das verlangt aber, daß die Stadien nicht länger Rekrutierungsort der Rechten sein können und dem nationalistischen Mob, der sich seit Jahren gerade bei Länderspielen breitmacht, ernsthaft entgegengetreten wird, anstatt ihm die Bühne zu richten. Sport kann seiner integrierenden Funktion nur gerecht werden, wenn er ohne nationalistische Symbole und Konfrontationsgedanken ausgetragen wird. Solange Leistungsbewußtsein, gnadenlose Konkurrenz und Gewinn den Sport dominieren, so lange ist er eben nicht „die schönste Nebensache der Welt“, sondern knallhartes Geschäft, Instrument politischer Auseinandersetzungen und Werbeträger der Wirtschaft.

Wer sich heute mit Rassismus, Nationalismus und Sexismus in der Gesellschaft beschäftigt, muß sich auch konsequent mit dem Hochleistungssport auseinandersetzen. Daß Bewegungskultur, pure Freude an der Bewegung, an Spiel und Spannung den Sport in seiner Gesamtheit dominieren, bleibt so lange eine Illusion, wie der Sport als Motivationsobjekt der Leistungsgesellschaft mißbraucht wird – oder sich mißbrauchen läßt. Judith Demba

Die Autorin ist Abgeordnete und sportpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen.