: Die Blinden und die Einäugigen
■ Die Münchner Bayern schlagen Zwietracht Zankfurt in einem erbärmlichen Spiel 2:1 und werden sich wohl kaum noch gegen die Meisterehren wehren können
München (taz) – Es waren bescheidene Bemühungen, die die beiden Meisterschaftskandidaten Frankfurt und München im Olympiastadion boten. Und sollten die Bayern es wirklich schaffen, den 13. Meistertitel zu erringen, so ist jener nicht erspielt, sondern glücklich erkämpft. Gegen die zerstrittene Eintracht half ihnen ein sehr fragwürdiger Elfmeter. Selbst Trainer Beckenbauer glaubt noch nicht, daß die seinen „schon durch sind. Allerdings haben wir jetzt beste Chancen, Meister zu werden“. Die Eintracht hingegen wird mit der gezeigten Leistung selbst um einen UEFA-Cup-Platz bangen müssen. Egal, ob nun die Frankfurter mit ihrer jungen Garde oder mit erfahrenen Spielern auftreten: Der technische Glanz früherer Tage ist verblichen. Auch die Eintracht spielt nicht mehr Fußball, sondern versucht, sich den Sieg zu erarbeiten. In München ließ Trainer Toppmöller aus einer vielbeinigen Abwehr heraus agieren, hinter der der reaktivierte Libero Binz stand. Im Mittelfeld tummelte sich recht allein Gaudino und im Angriff verläßt man sich ausschließlich auf die Gefährlichkeit von Yeboah.
Die Bayern bemühten sich in der ersten halben Stunde, den Ball in die Nähe des Strafraumes zu bringen. Es blieb bei kläglichen Versuchen. Zappelphilipp Scholl verzettelte sich in Zweikämpfen, der unauffällige Schupp sicherte stets nach hinten ab, weil er wahrscheinlich kein Vertrauen in seinen Vorstopper Kreuzer setzte, der mit Yeboah Paarlaufen übte. Valencia irrte verlassen über den Platz und Matthäus schlug sinnlose Steilpässe ins Nichts. Eine der seltenen schönen Kombinationen der Bayern brachte dann das 1:0. Labbadia schickte Scholl und der überwand mit einem Heber Uli Stein. So ansehnlich das Tor war, möglich wurde es aber nur durch das Chaos in der Eintracht-Abwehr. Was die einen können, das vermögen wir schon lange, dachten sich die anderen und leisteten sich eine Folge von Fehlern, die letztlich zum Ausgleich führten. Jorginho verstolperte vor dem Strafraum und konnte sich durch ein Foul retten. Den anschließenden Freistoß lenkte Aumann noch über die Latte. Nach dem Eckball brachte die Bayern-Abwehr den Ball nur zu Gaudino, der ungehindert flanken durfte. Akrobatisch erzielte Yeboah den überraschenden Ausgleich kurz vor der Pause.
In den zweiten 45 Minuten war das Spiel zwar technisch nicht besser, aber wenigstens ergaben sich mehr Torchancen. Unnötig ließ sich Komljenovic im Strafraum auf einen Zweikampf mit Schupp ein, der den besagten Elfmeter bewirkte: Matthäus verwandelte. Richtig dramatisch wurde das Spiel erst nach Thomas Helmers Ausscheiden (gelb-rote Karte) nach zweimaligem Handspiel. Lächelnd gab er hinterher zu, daß die Schiedsrichterentscheidung richtig war und er gerne früher duscht. Außerdem sei er eh verletzt und so täte ihm eine Woche Spielpause recht gut. Und gewonnen hätte seine Mannschaft auch ohne ihn. Zehn Bayern formierten sich um den eigenen Strafraum und ließen die Frankfurter erfolglos anrennen. Und zumindest Kurioses gab es auch noch: Binz paßt zurück zu Stein und der rollte überraschend für alle im Fünfmeterraum den Ball zu Schupp. Keine Geschenke annehmend, gab Schupp den Ball sofort wieder an Stein zurück. Als der Abpfiff erfolgte, war es für die Fans der Münchner klar, wir sind Meister, was angesichts der Schwächen anderer Mitbewerber nicht mehr zu verhindern sein dürfte.
Die Spieler der Eintracht entflohen sofort in die Umkleidekabinen, da sie wegen ihrer Streitereien mit einem Redeverbot belegt wurden. Da half wie immer Lothar Matthäus, der eine „super kämpfende Bayernelf“ gesehen haben will. Wenn die Bayern mit dieser Leistung den Titel erringen, dann ist es traurig um das Niveau der Bundesliga bestellt. Ach ja, die Bayern kaufen zwar vielleicht dem AC Mailand Jean-Pierre Papin ab, aber besitzen noch keinen Trainer für die nächste Saison. Präsident Scherer glaubt nicht mehr, daß Wenger von Monaco freikommt. Und die Frankfurter haben allen Gerüchten nach keinen Torhüter mehr. Manager Hölzenbein will die Forderung von Stein („soll er mich doch hinausschmeißen“) erfüllen und ihn zu Saisonende kündigen. Werner Steigemann
Eintracht Frankfurt: Stein - Binz - Komljenovic, Zchadadse - Möller, Gaudino (22. Hagner), Dickhaut, Falkenmayer, Weber - Yeboah, Mihajlovic (58. Anicic)
Zuschauer: 63.000 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Scholl (39.), 1:1 Yeboah (45.), 2:1 Matthäus (54./Foulelfmeter)
Gelb-rote Karte: Helmer (73./Handspiel)
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