Biblis A mal wieder am Netz

Das hessische Umweltministerium hob seine letzte Anordnung gegen AKW-Betreiberfirma RWE wieder auf / Vor Schadenersatzforderungen des RWE eingeknickt  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Die umfangreichen Materialprüfungen am Block A des Atomkraftwerks Biblis, die das hessische Umweltministerium nach dem Störfall vom 23. März durchführen ließ, waren noch nicht abgeschlossen – da zog die Betreiberin RWE am vergangenen Freitag alle Register: Der Stromkonzern gab die Einreichung einer Klage auf Schadenersatz beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof bekannt. Diese richtete sich gegen die Anordnung von Umweltminister Joschka Fischer, den AKW- BlockA ohne ausdrückliche Zustimmung der Aufsichtsbehörde nicht wieder anzufahren. Der Reaktor war seit Ende März abgeschaltet, nachdem aus einem Leck in einer Probenentnahmeleitung im Primär-Kühlkreislauf radioaktives Wasser ausgetreten war. In der Nacht zum Freitag hatte Hessens Umweltministerium RWE in letzter Minute daran gehindert, den Block A wieder anzufahren. Doch noch am Freitag wies das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk die Reaktorfahrer in Biblis an, die Vorbereitungen für die Wiederinbetriebnahme zu treffen, obwohl Fischers Anordnung noch gar nicht aufgehoben war.

Nur Stunden nach der Veröffentlichung der Schadenersatzklage durch die RWE-Energie AG hob Umweltminister Fischer seine Anordnung dann aber tatsächlich auf. Nachdem bereits ein renommiertes finnisches Gutachterbüro ein korrosionsgeschädigtes Rohrstück der Probeentnahmeleitung untersucht und eine Expertise erstellt habe, sei nun auch der international anerkannte Werkstoffspezialist Prof. Speidel aus Zürich zu einem eindeutigen Schluß gekommen: „Es ist nicht zu erwarten, daß an weiteren Austernitrohren Spannungskorrisionen eingetreten sind.“ Noch in der Nacht zum Sonnabend ging Biblis Block A wieder ans Netz.

„Unabhängig von dem konkreten Ergebnis“ der Materialprüfungen bleibt Fischer allerdings bei seinem Urteil, daß mit Block A ein Reaktor wieder in Betrieb genommen worden sei, der gravierende Sicherheitsmängel aufweise: „Beispielhaft genannt seien hier der mangelnde Brandschutz im Rangierverteiler, die mangelnde Auslegung gegen Erdbeben sowie die Gefahr von Wasserstoffbränden beziehungsweise -explosionen.“

Mit seiner Weisung vom 11. März 1994 habe ihm Bundesumweltminister Klaus Töpfer allerdings verboten, den Reaktor aufgrund dieser gravierenden Sicherheitsdefizite bis zu einer Nachrüstung stillzulegen, erklärte Fischer weiter. Töpfer habe damit „die Betreiberinteressen über die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung gestellt“. An die Adresse des RWE gerichtet, sagte Fischer, daß sich das hessische Umweltministerium auch nicht durch „Diffamierungen und Schadenersatzdrohungen“ von seinem „ausschließlich sicherheitsgerichteten Verwaltungshandeln“ werde abbringen lassen.