„Wir vergessen nicht den Rauch“

■ Ehemalige KZ-Häftlinge gedachten in Buchenwald ihrer Befreiung / Museum wird nach historischer Neubewertung wiedereröffnet / Instrumentalisierung des KZs durch DDR soll auch dargestellt werden

Buchenwald (dpa) – Im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald haben gestern mehrere hundert Menschen der Befreiung von 21.000 Häftlingen vor 49 Jahren gedacht. Ehemalige Häftlinge erinnerten zusammen mit Politikern, Gewerkschaftern und ausländischen Diplomaten an die Ermordung von 56.000 Menschen in dem faschistischen Lager auf dem Ettersberg bei Weimar. „Wir vergessen nicht den Rauch, der aus dem Krematorium herkam“, sagte Pierre Durand, Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora. Die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und des stalinistischen Unrechts dürfe keinesfalls zu einer Relativierung der NS- Untaten führen, warnte Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma. Angesichts eines zunehmenden Rechtsradikalismus sei es Verpflichtung des demokratischen Rechtsstaates, die Erinnerung an das Geschehene in den Gedenkstätten wachzuhalten. Er warnte davor, den Nationalsozialismus als schicksalhafte Katastrophe zu verklären.

Das neue Kuratorium „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ steckte am Wochenende den Zeitplan für den Umbau der kommunistisch geprägten Gedenkstätte ab. Das Museum in Buchenwald soll zum 50. Jahrestag der Befreiung mit einer historischen Neubewertung wiedereröffnet werden. Die Erinnerung an das faschistische Konzentrationslager werde weiterhin im Vordergrund stehen, sagte der Vorsitzende des Kuratoriums, Eberhard Jäckel. Doch auch das sowjetische Speziallager und die Instrumentalisierung des KZs durch die DDR würden dargestellt.

Im faschistischen KZ Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar sind zwischen 1937 und 1945 etwa 56.000 Menschen ermordet worden. Im 1943 errichteten Lager Mittelbau-Dora starben rund 20.000 Häftlinge bei Zwangsarbeit. Das nach dem Krieg angelegte sowjetische Speziallager in Buchenwald überlebten mehr als 7.000 Menschen nicht, darunter viele Nazi-Verbrecher, aber auch Sozialdemokraten und Kirchenleute.

In den neuen Ausstellungen soll mit der in der DDR-Zeit gepflegten ideologischen Legendenbildung aufgeräumt werden. So bedürfe die Rolle kommunistischer Häftlinge und deren Widerstand einer „gewissen Neubewertung“, sagte der mit der Aufarbeitung von SED-Akten zu der Lagergeschichte befaßte Historiker Lutz Niethammer. Die vor zwei Jahren entdeckten und in Auszügen veröffentlichten Vernehmungsprotokolle enthielten neue Details zum Verhältnis der Häftlinge zur SS. Danach hätten kommunistische „Funktionshäftlinge“ das von der SS eröffnete Lagerbordell besucht. Vorwürfe, andere Häftlinge getötet zu haben, seien nicht gerichtsverwertbar belegt. Nach Einschätzung Niethammers waren die kommunistischen Häftlingsstrukturen in dem Lager vor allem auf eine „kollektive Selbstverteidigung“ ausgerichtet. Um eigene Leute zu schützen, seien aber auch andere Häftlinge geopfert worden. Bei der Darstellung einer Selbstbefreiung der Häftlinge dürfe nicht übersehen werden, daß das Lager mit dem Herannahen amerikanischer Trupppen zusammengebrochen sei, sagte Jäckel. Noch 1947 haben auch die Kommunisten von einer Befreiung gesprochen.

An der Aufarbeitung der Lagergeschichte hatte sich ein Streit mit dem vorherigen wissenschaftlichen Leiter der Gedenkstätte, Hofmann, entzündet. Er hatte vor restaurativen Tendenzen gewarnt. Nach Meinung Hofmanns wurden bisher die Leiden von Kommunisten besonders herausgestellt, während an andere Opfergruppen wie Juden und stalinistisch Verfolgte in der Zeit nach 1945 kaum erinnert wurde. Die Kuratoriumsmitglieder wiesen Vorwürfe einer Verschleppung der Aufarbeitung zurück. Der Historiker Niethammer räumte aber ein, die Bedeutung dieser neuen Aspekte für die Bürger in den neuen Ländern unterschätzt zu haben.