Ein würdiges Gedenken der KZ-Opfer

Ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald gedachten ihrer Befreiung / In einem Jahr soll die Gedenkstätte mit neuer Konzeption wiedereröffnet werden  ■ Aus Buchenwald Anita Kugler

Das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald ist keine innerdeutsche Angelegenheit. Dies machte der Vorsitzende des Internationalen Komitees Buchenwald- Dora, Pierre Dorand, gestern eindeutig klar, indem er die Hauptrede zum 49. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers dem früheren Buchenwald-Häftling Goy Ducolone übertrug. An der Veranstaltung nahmen etwa 1.500 Menschen teil. Der einzige ehemalige Häftling, der in Lagerkleidung kam, wurde von Pressefotografen umlagert. Im übrigen aber war das Bild des Gedenkzuges zum Glockenturm auf dem Ettersberg von Jüngeren geprägt. Goy Ducolone ist heute Ehren-Vizepräsident des französischen Parlaments, wurde vor kurzem zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Mit so einem renommierten Redner zeigte das Internationale Häftlings-Komitee, das die alljährliche Gedenkfeier organisiert, daß die Debatte um die Umgestaltung der Gedenkstätte nicht nur innerhalb deutscher Historikerzirkel geführt werden darf.

Der Franzose warnte vor der neudeutschen Tendenz, den Widerstand im Konzentrationslager Buchenwald zu banalisieren und „die Integrität der Opfer in Frage zu stellen“. Er bezog sich damit indirekt auf die in der Presse sehr beachteten Dokumente, wonach KZ- Häftlinge sich von der SS hätten korrumpieren lassen. Der Kampf um das bloße Überleben war dominant, betonte Docolone. Dennoch dürfe nicht vergessen werden, daß es Tausende von Beispielen dafür gebe, wie Häftlinge von anderen Häftlingen durch mutiges Eingreifen gerettet werden konnten. Die Solidarität, die in Buchenwald geübt wurde, sei die Voraussetzung für die „Selbstbefreiung“ am 11. April 1945 gewesen.

Diese aktive Seite des Lebens und Überlebens im KZ betonten auch Kurt Goldstein, der Vertreter der deutschen Häftlinge, sowie Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats deutscher Sinti und Roma. Beide erklärten, daß die Neuorientierung der Gedenkstätte, die eine Historikerkommission schon 1992 vorschlug, „von allen akzeptiert wird“. Wichtig sei vor allem, daß den Gruppen, an die während der DDR-Zeit kaum gedacht worden ist, nun ein „würdiger Platz gegeben werde“. Das gilt vor allem für die Juden, die schon im vergangenen Herbst ein eigenes Denkmal erhielten, und für die Sinti und Roma, für die jetzt ein neues geplant ist.

Alle Redner wandten sich scharf dagegen, daß die Geschichte des KZs mit der Geschichte des nachfaschistischen Internierungslagers in eine Kontinuität gebracht werde. In Buchenwald existierte von 1945 bis 1950 das von den Sowjets geführte „Speziallager Nummer 2“. Dort wurden neben Kriegsverbrechern und Nazi- Funktionären auch politische Gegner der Kommunisten eingesperrt. „Wir wehren uns nicht gegen einen Ort des stillen Gedenkens“, sagte Goldstein, aber dieser Ort müsse „räumlich klar von der KZ-Gedenkstätte abgegrenzt sein“. Er müsse so angelegt sein, daß er sich nicht als ein Sammelort für Nazifeiern mißbrauchen lasse. Dies meinte auch Romani Rose, indem er die Vertreter der Häftlinge als „die eigentlichen Hausherren“ der Mahnstätte bezeichnete. Sie sollten in der Stiftung „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora“ nicht nur mit beratender, sondern auch mit beschließender Stimme vertreten sein.

Das Kuratorium dieser Stiftung hat sich in Buchenwald am 9. April konstituiert. Im Stiftungsvorstand sitzen Vertreter von Bund und Land, unter ihnen auch der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis. In den Stiftungsrat wurden zehn Historiker berufen, die alle fachlichen Neuerungen zur Umgestaltung des Museums zu entscheiden haben. Daneben sollen drei Beiräte gebildet werden. Das bisherige Museum wird im Herbst diesen Jahres geschlossen. Zum 50. Jahrestag der Befreiung, am 11. April 1995, soll dann die neukonzipierte Gedächtnisstätte eröffnet werden.