Keine Heimat

■ Kurde soll ausgewiesen werden

Die Ausländerbehörde beabsichtigt, einen 18jährigen Kurden auszuweisen, der seit seinem dritten Lebensjahr in der Bundesrepublik lebt.

Nach den Angaben seiner Rechtsanwältin ist er am 19. März in die Auseinandersetzungen zwischen kurdischen DemonstrantInnen und der Polizei vor der TU- Mensa geraten und für 24 Stunden festgenommen worden.

Dabei hatte ihn seine Familie nur vorgeschickt, um Plätze für das dort angekündigte Neujahrsfest zu reservieren, sagt die Anwältin. Daß die Veranstaltung zwei Tage zuvor verboten worden war, habe er nicht gewußt.

Dem jungen Mann, der die 11. Klasse des Gymnasiums besucht, akzentfrei Deutsch spricht und vor einem Dreivierteljahr die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat, wird vorgeworfen, die innere Sicherheit zu gefährden, weil er sich an einer gewalttätigen Demonstration beteiligt habe. Er soll einen Polizisten in die Menge hineingezogen und zwei Polizisten den Helm vom Kopf gerissen haben.

Seine Anwältin kritisierte, daß ihm nur eine dreitägige Frist gewährt wurde, um auf das Anhörungsschreiben zu antworten. Dies widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen. „Normalerweise beträgt die Frist zwei bis drei Wochen“, sagte sie gegenüber der taz.

Sie bemängelte außerdem, daß ihr Mandant zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen soll, bevor diese in einem möglichen Strafverfahren geklärt werden. Das Recht, die Aussage zu verweigern, würde ihm genommen, wenn er sich bereits im Ausweisungsverfahren zu den Anschuldigungen äußern müsse.

Ihr Mandant, den sie als „ruhig und zurückhaltend“ beschrieb, kenne die Türkei nur aus kurzen Urlaubsaufenthalten. Sein Vater lebt seit 25, die Mutter seit 22 Jahren in der Bundesrepublik. Er selbst hat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Eine Ausweisung und gegebenenfalls die Abschiebung in die Türkei – ein für ihn fremdes Land – würde nicht nur die Familie auseinanderreißen, sondern ihn zudem seiner Identität berauben. Eine Ausweisung würde einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht standhalten, so die Anwältin. Dorothee Winden