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„Das Osloer Abkommen liegt im Sterben“

■ Der israelisch-palästinensische Vertrag über eine Teilautonomie wird morgen voraussichtlich doch nicht unterzeichnet / Internationale Beobachter eingetroffen

Tel-Aviv (taz) – „Die Herausforderung des 13. April steht unmittelbar bevor, und ich stelle kein konkretes Ergebnis vor Ort fest.“ Mit diesen Worten beklagte Jassir Arafat gestern in Tunis, daß es morgen nicht, wie geplant, zu einem Abschluß des israelisch-palästinensischen Abkommens über eine Autonomie-Zwischenlösung im Gaza-Streifen und in Jericho kommen wird. Auch der Abzug der israelischen Truppen aus den Teilautonomie-Gebieten, der bis zum 14. April beendet sein sollte, hat sich verzögert. Lediglich die Stationierung der internationalen Beobachter in Hebron hat gestern mit dem Eintreffen der ersten 17 Personen starken UN-Delegation begonnen, der Norweger, Dänen und Italiener angehören.

Einen Tag vor Ablauf der im Osloer Abkommen gesetzten Frist ist die israelische Delegation heute aus Kairo abgereist, um zum morgigen Gedenktag der in den israelisch-arabischen Kriegen Gefallenen wieder in Israel zu sein. In den turbulenten Wochen nach dem Massaker von Hebron hatte Arafat die Palästinenser immer wieder beschworen, am eingeschlagenen Kurs festzuhalten und auf die guten Chancen einer Einhaltung des im Osloer Abkommen vorgesehenen Zeitplanes verwiesen.

Unmittelbar nach Abschluß des Teilautonomie-Abkommens sollte in den kommenden Tagen eigentlich die zweite Phase der Verhandlungen über die gesamte besetzte Westbank beginnen, und damit wären die eigentlich problematischen Fragen – die Zukunft der israelischen Siedlungen, die Verfügung über Boden und Wasser, die (Ost-)Jerusalem-Frage und der israelische Abzug und der zukünftige Status der Gebiete – zum ersten Mal auf den Tisch gekommen. Erst diese Gespräche hätten die Bewohner der besetzten Gebiete mehrheitlich betroffen, und auf sie setzten sie ihre Hoffnungen. Bisher hat sich ihre Lage eher weiter verschlechtert, zumal sie seit dem Massaker von Hebron in den besetzten Gebieten eingesperrt sind; eine Maßnahme, deren unbefristete Dauer die israelische Regierung nach dem schweren Attentat eines Palästinensers in der israelischen Stadt Afule letzte Woche bekräftigt hat. Damit bleiben auch die rund 60.000 Palästinenser, die in Israel arbeiten, weiterhin von ihren Arbeitsplätzen ausgesperrt.

„Das vor acht Monaten unterzeichnete Grundsatzabkommen über einen Friedensprozeß zwischen Israel und den Palästinensern liegt im Sterben“, warnte Jassir Abed Rabbo, einer der prominenten Sprecher der PLO, denn auch am Wochenende in Tunis. Um einen Kollaps des Prozesses zu verhindern, schlug er vor, bereits jetzt die Verhandlungen über eine endgültige Regelung des Konfliktes um die besetzten Gebiete einzuleiten, die im Osloer Abkommen als zweite Phase vorgesehen war.

Sie sollte im Sommer 1994 mit Wahlen für eine palästinensische Selbstverwaltungsbehörde beginnen, die nach einer Frist von mindestens zwei Jahren „Teil-Autonomie“ im Gaza-Streifen und in Jericho mit Israel eine für 1999 vorgesehene definitive Lösung des Konfliktes um die besetzten Gebiete aushandeln sollte.

Mitglieder der israelischen Regierung haben Abed-Rabos Vorschlag gestern umgehend zurückgewiesen. Umweltminister Jossi Sarid (Meretz) sagte: „Im Gegensatz zu Abed-Rabbo glaube ich, daß der Friedensprozeß mit den Palästinensern weiter lebendig und gesund ist. Wir müssen hoffen, daß das Gaza-Jericho-Abkommen bis Monatsende praktisch durchgeführt sein wird.“ Auch Israels Außenminister Peres verwarf Abed-Rabos Vorschlag: „Ich kann seine Meinung nicht akzeptieren. Wir haben das Oslo-Abkommen, und daran halten wir uns. Wer bereits jetzt versucht, einen dauerhaften Frieden zu verwirklichen, der wird permanente Konflikte erzeugen. Denn damit werden Probleme aufgeworfen, für die es keine Lösung gibt.“ Peres meinte natürlich genau die Fragen, die Israel ohnehin nicht auf die Tagesordnung setzen möchte: Ostjerusalem, die Siedlungen und den Abzug aus der Westbank.

Zu den am Sonntag wieder aufgenommenen Gesprächen in Kairo meinte ein hoher israelischer Beamter, man habe sich über „70 Prozent der vielen Probleme des Gaza-Jericho-Abkommens auseinandergesetzt, aber in keiner der Fragen ist es bisher zu einer definitiven Übereinkunft gekommen. Ohne persönliche Intervention Arafats wird es keinen Durchbruch geben.“

Auch in den israelisch-palästinensischen Wirtschaftsverhandlungen, die letzte Woche in Paris wieder aufgenommen und heute erneut unterbrochen wurden, konnte bislang lediglich die Frage der landwirtschaftlichen Zusammenarbeit geklärt werden. Alle anderen Fragen sind offen.

Palästinensische Politiker in den besetzten Gebieten kritisierten Israels angebliche Absicht, „keinen wirklichen Rückzug aus Gaza und Jericho, sondern lediglich eine Reorganisation der Besatzung durchführen zu wollen“. „Sowohl die Maßnahmen, die Israel tatsächlich ergreift, als auch die Haltung Israels in den Sicherheitsverhandlungen zeigt unverkennbar, daß Israel die Okkupation nicht beendet, sondern nur umstrukturiert“, erklärte Saeb Erekat, Leiter der palästinensischen Delegation. Es ist abzusehen, daß Rabin, der in spätestens zwei Jahren vor neuen Wahlen steht, jetzt eher dazu neigt, sich erneut den Verhandlungen mit Syrien zuzuwenden. Amos Wollin

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