Nachschlag

■ „Zeit der Schlipse“ – die neue Varieté-Show im Chamäleon

Foto: Thomas Aurin

Wie gern bin ich am letzten Sonntag zur Premiere der neuen Show ins Chamäleon geeilt. Das Ladenhüterprogramm „Ohne Proben ganz nach oben“ hatte ich schon völlig verdrängt und statt dessen Karl-Heinz Helmschrots „Klassentreffen“ in allerbester Erinnerung. Doch die gute Laune, Sie ahnen es schon, hielt nicht mal bis zur Pause. Zwar ist Helmschrot auch jetzt wieder mit von der Partie – als Franz Frosch hat er sich hinreißend bemützt und sieht aus wie der Hutmacher aus „Alice im Wunderland“ –, aber was er in Sekunden an Witz und Charme auf die Bühne bringt, wird in minutenlangen Nullnummern dann gründlich wieder abgetragen. Die neue Show, „Zeit der Schlipse“, zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß die wirklichen Trümpfe nur halb ausgespielt werden. Außer bei Helmschrot ist das auch bei Nancy Buell der Fall. Eine volltönend singende Amerikanerin, die auf sehr witzige Weise spätjüngferlich durch ihre eigenen Auftritte stolpert. Aber meist passiert drumherum dermaßen viel an anderer Aktion, daß man schon an Mobbing auf offener Bühne denkt. Gut, die Larible Sisters, zwei schwergewichtige Artistinnen, von denen die eine über Bärinnenkraft verfügt und die andere ihren Körper wie Kaugummi verbiegt, sind wirklich sehenswert. Auch Kathrin Mlynek und Christine Ritter am Trapez zeigen Beachtliches. Aber Detlef Winterberg. Detlef Winterberg betätigt sich ausführlich als kalauernder und lautmalender Erzähler von ungewöhnlichen Situationen der langweiligen Art. Erstens: Wie ihn sein EC-Automat aufsaugte. Und: Was passierte, als er auf einer Party ein orangefarbenes Getränk trank. Das dauert dann und dauert und will noch immer kein Ende nehmen und ist vor lauter Mutwillen so ganz und gar unkomisch. Erschütternderweise lachen viele über das, was da aus der biederen Stimmungskanone auf sie herabprasselt, ganz herzlich. Als wäre es eine Parodie. Ist es aber nicht.

Regisseurin Christine Rossignol hat sich auch nicht entscheiden können, ob sie die vorwiegend aus Frauen bestehende Band nun wirklich mit ins Programm einbeziehen soll oder nicht. Mal wird mit etwas hilfloser Lustigkeit auf die Show reagiert, mal gar nicht. Irgendwann war mir, als ob ein kleines Chamäleon zwischen den Vorhangfalten säße. Es sah ganz dünn aus und entfärbte sich langsam, aber unabwendbar. Petra Kohse

Bis 29.5., Mi.–So., 20.30 Uhr, Chamäleon, Rosenthaler Straße 40/41, Mitte.