Schwindel mit Pfiff

■ Die fünf „JazzBalaleika“- Clowns aus Moskau gastieren im Packhaus im Schnoor

Auf den Erfolg der Clownstruppe Mimikritschi aus Kiew wollte die Direktion des schnuckligen Packhaus-Theaters noch einen drauf setzen. Und engagierte die fünf Herren von Jazz Balalaika aus Moskau, die von der Agentur wortreich und geschäftstüchtig als legitime nachfolger der Kritschis offeriert wurden.

Der kundige Clowns-Experte erkennt jedoch beim Start des Gastspiels schon nach drei Minuten, daß den Jazz-Balalaikisten nicht nur die rote Nase fehlt, die zur Ausübung der Profession „Klon“ legitimiert. Es geht den höchst brillanten Musikern dieses Ensembles jedwede Lust am schöpferischen Chaos der Zerstörung von Konventionen ab. Wo sie sich daran versuchen, tun sie es mit dem gebremsten Schaum dessen, der jeden Moment damit rechnet, daß die Mama oder der Musiklehrer ihne bei derlei Possen erwischen könnte.

Über die Truppe kursiert das Gerücht, daß es sich eigentlich um eine Tanzkapelle handelt, die auf russischen Kreuzfahrtschiffen zwischen Five O-Clock-Tea und abendlichem Tanz aufspielte und obendrein das folklore-Ballett der Besatzung zu begleiten hatte. Abmustern mußte die Combo, als sich der hübsche junge Querflöter nicht dem werbenden Drängen des schwulen Kapitäns ergeben wollte. Was tun? Was nun? Zum Glück war auf dem letzten Törn der Pensionär Hazy Osterwald dabei und instruierte die russischen Musikmatrosen über das Know-How einer Show-Band mit komischen Slapstick-Einlagen. Dazu ein paar fräcke aus dem fundus des Operettentheaters Budapest, Goldlamé-Westen und Hüte, die eine umherziehende Dixietruppe musizierender Zahnärzte aus Hamburg mal in der Transsib liegengelassen hatte: Fertig war das Konzept.

Nun klingt und swingt das wirklich schaurig schön: Von Mozarts Wienerwald bis hin zu Moschens Böhmerwald, von Sa-han-taaa Lutschihiaa bis Kalin, Kakalin und was die russische Seele sonst noch hergibt. Dazu ein wenig jiddisch, abgerundet mit den Standards internationaler Barmusik. Bleibt zu kritisieren übrig, daß man derlei nach dem 6. oder 8. Wodka Lemon fingerschnippend im Barsessel hängend am Besten genießen kann, und da fehlt's im Packhaus am passenden Ambiente. Wir empfehlen den Besuch daher unter dem ausdrücklichen 1,2-Promille-Vorbehalt, den Sie allerdings schon vor Beginn der Show erreicht haben sollten.

Ulrich Reineking-Drügemöller

„JazzBalaleika“ spielt noch einmal heute, 20 Uhr, im Packhaus im Schnoor, Wüste Stätte 11