Halslos mit Joppe

■ „Finish“ – Soloprogramm von Richard Rogler bei den Wühlmäusen

Der Mann ist tadellos gekleidet: gutsitzender Zweireiher, modische Krawatte. Er sieht aus wie einer, der es geschafft hat im Leben. Hat er aber nicht. Bald ist er fünfzig. Der Schnösel von Programm-Manager, der sein Exposé für eine Fernsehserie abgelehnt hat, ist dreißig. Und wie lange „die Karin“ das alles noch mitmacht, weiß auch keiner. „Irgendwie“, nuschelt Camphausen besorgt, „läuft hier was total an mir vorbei.“ Dabei wäre er beinahe Unterhaltungsredakteur beim MDR gworden. Wenn alle im Osten Karriere machen, warum dann nicht auch der Camphausen, hatten seine beiden Schulfreunde Hans Ruckdeschel (CSU/MdB) und Gerd Hechtfischer (SPD/MdB) gedacht. Aber es kam soviel dazwischen – so viel, daß man es kaum an einem Abend erzählen kann.

Richard Rogler, Autor, Schauspieler und Kabarettist aus Köln, der dem Fernsehvolk zumindest aus den ARD-„Mitternachtsspitzen“ ein Begriff sein dürfte, erzählt es aber doch. Ohne jede Hektik kommt er von einem aufs andere, vom Segeltörn zur Housewarming- Party, von der Karin zur Katrin: „eine wunderbare Geschichte, die erzähl ich ganz kurz“. Und das Soloprogramm „Finish“ besteht tatsächlich aus lauter wunderbaren Geschichten. Vom Ruckdeschel, der mit seinem tiefergelegten Porsche schneller sein will als die Lufthansa und sich dann an einer Lastwagen-Unterkante selbst enthauptet – „Tja, du sollst nie schneller fahren, als dein Schutzengel fliegen kann“. Vom Hechtfischer, für den mit seiner mittleren Reife als Partei eben nur die SPD in Frage kam und der immer soviel heult. Und vom Steuerberater Dietmar, der Daggi, dem Gulli, den Ostkellnern...

Richard Rogler stellt seine Alltagscharaktere mit ganz wenigen Gesten präzise dar. Er braucht nur eine Bewegung zu machen, und man sieht einen kompletten, halslosen CSU-Promillegrenzengegner vor sich, mit allem Zubehör wie Bauch, Basedow und Trachtenjoppe. Rogler ist keiner der gefürchteten „Ankläger“ im deutschen Kabarett. Er zeigt nicht mit dem Finger auf den allgegenwärtigen Zynismus, er bringt ihn auf die Bühne, ohne Pathos und gnadenlos genau.

In „Finish“ gibt es so gut wie keine Witze über Tagespolitik, und deshalb hat Rogler das Programm, mit dem er 1992 zuerst auftrat und mit dem er jetzt bis Juni durch die Republik tourt, auch kaum verändert. Ein paar Scherze über die Gesundheitsreform sind weggefallen, dafür hört man jetzt ein-, zweimal die Worte „Christo“ und „Superwahljahr“. Im Vordergrund aber stehen die unspektakulären, über die Jahre dauernden Katastrophen: die Midlife-Crisis seines Helden Camphausen und die des Systems, in dem er lebt. Miriam Hoffmeyer

Bis 24. April täglich außer montags um 20.30 Uhr, samstags um 19.30 Uhr, bei den Wühlmäusen, Nürnberger Straße 33, Charlottenburg, Vorbestellungen unter Tel.: 213 70 47.

Theatermuffel können sich „Finish“ in Pantoffeln am heimischen Herd sitzend auch auf CD anhören (MiC 8855-2) oder gar lesen (KiWi 286).