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Belgrader Medienkrieg

■ Keine Akkreditierung für CNN

Belgrad (taz) – „Was? Du bist noch hier?“ wurde mancher Belgrader Korrespondent gestern witzelnd empfangen. Die Belgrader Mitarbeiter der französischen Presseagentur AFP und des amerikanischen TV-Senders CNN können darüber gar nicht lachen. Ihnen entzog das jugoslawische Bundesinformationsministerium mit sofortiger Wirkung die Akkreditierung. In der Mitteilung des Ministers werden die Maßnahmen damit begründet, daß die Auslandskorrespondenten einen „besessenen Medienkrieg gegen Jugoslawien“ geführt hätten. Es ist nicht das erste Vorkommnis dieser Art. Schon im Dezember hatte man der langjährigen Belgrader Times-Korrespondentin Desa Trevisan die Verlängerung ihrer Akkreditierung verweigert. Angeblich existiert in Belgrad eine Liste von weiteren Korrespondenten, die das serbische Volk „satanisiert“ hätten und denen in den nächsten Tagen ebenfalls die Akkreditierung entzogen werden soll.

Auch in Belgrad weiß man nur zu gut um die Manipulierbarkeit und die Bedeutung der Meinung der Weltöffentlichkeit. Die Monitordienste der Nachrichtenagentur Tanjug verfolgen recht genau, wie die ausländischen Medien über den Balkankrieg berichten. Die Tageszeitung Politika druckt täglich auf einer ganzen Seite eine Auswahl von Korrespondentenberichten ab; das Belgrader Fernsehen sendet täglich zwei Stunden übersetzte Fernsehberichte ausländischer Sender.

Der amerikanische TV-Sender CNN ist dabei schon lange unangenehm aufgefallen. Die CNN-Berichterstattung über den Krieg wird als einseitig antiserbisch und ausschließlich die amerikanischen Interessen auf dem Balkan vertretend empfunden. In der Tat hat sich CNN schon des öfteren nachgewiesene Falschmeldungen geleistet, die gar nicht oder nur an unauffälliger Stelle korrigiert wurden. Doch die Entscheidung hat wohl trotzdem weniger mit der konkreten CNN-Berichterstattung zu tun als mit außenpolitischen Revancheaktionen. Veronika Seyr, Korrespondentin des österreichischen Rundfunks: „Ich bekomme direkt zu spüren, wenn unser Außenminister Mock etwas sagt, was denen hier nicht paßt. Dann bekomme ich plötzlich für einige Zeit keine Interviews oder keine Drehgenehmigung.“

Auch der Times-Korrespondent Timothy Judah sieht in der Belgrader Akkreditierungspolitik einen rein außenpolitischen Tritt vors westliche Schienbein. „Irgendeinen Briten werden die auch noch rausschmeißen. Ich hoffe nur, daß ich es nicht sein werde.“ Karen Thürnau

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