Emscher stinkt weiter

■ Halbzeitbilanz der Bauausstellung Emscher Park / Wenig Ökologie und knauserige Investoren

Szenen aus Bert Brechts Oper „Mahagonny“ stehen im Musiktheater Gelsenkirchen auf dem Programm, wenn dort heute 400 geladene Gäste den Auftakt zur Zwischenpräsentation der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) feiern. Fünf Jahre zuvor hatte am gleichen Ort der damalige Städtebauminister Nordrhein-Westfalens, Christoph Zöpel (SPD), zum wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Umbau der Emscherzone, des Hinterhofs des Ruhrgebiets, aufgerufen.

Auf zweimal fünf Jahre ist die IBA, das anspruchvollste Strukturprogramm der Düsseldorfer Landesregierung für das nördliche Ruhrgebiet, angelegt – eine Region, die 17 Städte umfaßt, in denen mehr als zwei Millionen Menschen leben. Ein bunter Strauß von 80 Projekten soll der Emscherzone die benötigten „zukunftsweisenden Impulse“ geben. Dazu gehören der Umbau alter Zechengelände zu Gewerbeparks und Technikzentren oder die Modernisierung von Arbeitersiedlungen. Einige IBA-Vorhaben fanden bundesweit Beachtung wie zum Beispiel der geplante Landschaftspark von Duisburg nach Bergkamen, Yachthäfen am Rhein-Herne-Kanal (der Investor hat sich zurückgezogen), das Zentrum zur umweltfreundlichen Textilherstellung in Wattenscheid oder die sogenannte Renaturierung der als Abwasserkanal mißbrauchten Emscher.

Eine Halbzeitbilanz hat die IBA-Planungsgesellschaft pünktlich vorgelegt – ein Papier, das zwischen den Zeilen auch den Abschied von so manchen Wunschvorstellungen aus der Anfangsphase durchblicken ließ:

– Bis Silvester 1993 hatte die IBA mehr als 2,5 Milliarden Mark ausgegeben oder verplant. Zwei Drittel öffentliche Gelder, private Investoren engagierten sich bisher nur mit 800 Millionen Mark (vor allem für den Wohnungsbau). Ursprünglich erwarteten die Macher zwei Drittel Privatinvestitionen.

– Jeweils 3.000 Wohnungen (davon drei Viertel im sozialen Wohnungsbau) werden in 25 IBA-Projekten neu gebaut oder saniert, ein Vorhaben, das mittlerweile abgeschlossen oder doch mehrheitlich „auf der Baustelle ist“, wie Karl Ganser, geschäftsführender Direktor der IBA betont.

– 300 Hektar erschlossene Gewerbeflächen stehen auf der Habenseite, die, so die IBA, „Zug um Zug an den Markt kommen und 6.000 bis 10.000 neue Arbeitsplätze bieten.“ Damit macht die IBA schon deutliche Abstriche von den einst erhofften 15.000 neuen Stellen. Bittere Abstriche, denn mit 257.000 Arbeitslosen konnte die Region Anfang 1994 ein neues Rekordhoch „feiern“. Der Präsident des Landesarbeitsamtes, Karl Pröbsting, befürchtet im kommenden Winter 300.000 Arbeitslose zwischen Duisburg und Dortmund.

– 500 Millionen Mark wurden bisher in den Umbau des Emscher- Systems investiert, der auch über die nächsten 20 Jahre hinaus Arbeitsplätze im Baubereich bietet.

Ökologisch bleibt der Emscher- Rückbau weit hinter den Erwartungen zurück. „Dann wird die Emscher immer noch nicht als Fluß dahinplätschern und die Abwasserkonzentration allenfalls den gesetzlichen Normen entsprechen“, kritisiert Thomas Rommelspacher. Der gelernte Stadtplaner und Mitglied der „IBA von unten“ (ein Zusammenschluß verschiedener Initiativgruppen im Ruhrgebiet) ist unzufrieden mit der bisherigen Umweltbilanz der IBA: „Die Bauausstellung hat große Themen wie rationelle Energieerzeugung und -verwendung, Müllvermeidung oder die ungelösten Verkehrsprobleme in der Emscherzone nicht angepackt.“

Ideen der IBA von unten wurden bis auf eine Ausnahme nicht berücksichtigt. Rommelspacher wirft den IBA-Machern deshalb vor: „Die IBA hat enge politische Fesseln und legt sich deshalb nicht mit den Mächtigen in der Region wie dem RWE oder der VEW an.“

Diese Kritik läßt IBA-Chef Karl Ganser nicht gelten. „Man muß sich von der Vorstellung trennen, daß die IBA den großen Wurf für die Emscherzone bietet, der alle Probleme löst.“ Gerade im Energiebereich, so Ganser, setzte die IBA doch Akzente: angefangen vom verbesserten Wärmestandard in den Neubauprojekten oder der Gründung zweier Forschungsinstitute, die versuchen, die Silizium- durch die Farbstoffzelle zu ersetzen. Damit wäre eine direkte Umwandlung des Sonnenlichtes in Strom möglich, und die heute üblichen Entsorgungsprobleme für die Siliziumzellen würden entfallen.

„Vielleicht signalisiert das Ende der Internationalen Bauausstellung in den 90er Jahren etwas, daß man Emscher wieder mit aufsteigender Stadt, aufsteigender Region verbindet, daß Defizite aufgeholt wurden“, hatte Christoph Zöpel bei der Auftaktveranstaltung vor fünf Jahren gehofft. Davon ist bei Halbzeit noch wenig zu spüren.