: Das Tor zum Kiez wird zum Eigentor
■ Neubau am Millerntor verschiebt sich weiter / SPD will neues Verkehrskonzept
Das neue Tor für St. Pauli, es scheint zum Millionengrab zu geraten. GAL und SPD setzten jedenfalls am Mittwoch abend im Stadtplanungsauschuß Mitte die für kommende Woche geplante Absegnung des neuen Bebauungsplans für den Millerntorplatz vorläufig ab. Weil am Verkehrskonzept noch Änderungsbedarf besteht, so die Sozialdemokraten. In Wirklichkeit herrscht Angst vor einer millionenschweren Bürohausruine.
Lange Geburtswehen hat er schon hinter sich: Der 40.000 Quadratmeter große, elf Stockwerke hohe Büroklotz der Hamburger Investorengruppe AGB, der statt des asbestverseuchten Idunahochhauses künftig den Eingang zum Kiez markieren soll. 80 Millionen Mark hatte AGB für das Hochhaus auf den Tisch geblättert: Eingehandelt hatte er sich eine Asbestruine und eine zähe Stadtplanungsdebatte.
Zunächst schien alles ganz einfach: Der Entwurf für einen zwölfstöckigen Neubau war von Bausenator Eugen Wagner durchgewunken worden. Doch im Herbst –92 fing der Ärger an: Die neue Stadtentwicklungsbehörde und die Bezirksversammlung Mitte verweigerten dem Bau die Zustimmung. Zu groß, zu wenige soziale Einrichtungen, zu wenig Mitsprache. Der Investor schäumte, jeder verlorene Monat koste ihn eine Million Mark – die Drohung einer Schadensersatzklage gegen die Stadt stand im Raum. Im März 1993 gab Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller schließlich ihre Zustimmung für einen leicht reduzierten Büroneubau. Doch es hagelte Einwendungen: 400 Widersprüche gingen im Bezirksamt ein. Tenor: Der Kiez brauche keine teuren Büros, sondern billige Wohnungen und soziale Einrichtungen.
Völlig überraschend zog die SPD-Mitte jetzt ein neues Stolpersteinchen hervor. Das von der Baubehörde vorgelegte Verkehrskonzept, so der SPD-Vorsitzende Siegfried Bars, enthalte eine Linksabbieger-Spur in die Simon-von-Utrecht-Straße. Dort sei aber eine noch stärkere Verkehrsbelastung nicht hinnehmbar, so Bars, die Baubehörde müsse nachbessern. Daß der Bebauungsplan die Bezirksversammlung noch vor der Sommerpause passieren wird, ist für den GALier Volker Nienstedt nun mehr als fraglich. „Scheinbar gibt es in der SPD doch Menschen, die den Megaflop am Millerntor fürchten“, freut er sich.
Und dazu wächst sich der Neubau aus: Denn bevor AGB 200 Millionen Mark investiert, muß die Asbestruine sachgerecht abgerissen werden. Wie, ist laut Nienstedt derzeit auch noch unklar. Sollte der Büroklotz dann 1998 endlich fertig sein, werde er sich in die Reihe der anderen leerstehenden Gewerbeobjekte einreihen. Denn schon heute gelten Edelbüros bereits als kaum vermietbar. Eine Rechnung, die möglicherweise auch die Genossen in Mitte heimlich umtreibt.
Ein Flop scheint auch das Projekt gegenüber zu werden – dort sollte anstelle der Bowlingbahn ebenfalls ein Bürokomplex entstehen. Jetzt ist laut Bars wieder „alles offen“. Ein Eigentümerwechsel – da hat wohl jemand nachgerechnet.
sako
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