Zeitlos barock

■ Premiere für das prachtvolle Solostück „Die komische Verzweiflung der tragischen Madame de Staäl“

Germaine de Staäl ist am Ende. Napoleon hat sie in die Schweiz ins Exil verbannt, hat sie, die Philosophin und politische Streiterin, dem Pariser Leben entrissen. Nichts ist mehr vom einst schillernden Salon der Madame zu spüren, als sie die Bühne der Shakespeare-Company betritt. Diese ist zur dunklen Gruft umfunktioniert, mit dem Sarg von Madames verstorbenen Eltern als einzigem Requisit. Tod, Trauer, Tragik. Ein schmerzensreiches Schicksal offenbart sich da. Karin Winkler breitete es mit ihrem Soloauftritt am Mittwochabend zu einem richtigen Vergnügen aus.

Komisch soll sie sein, die Verzweiflung der Madame de Staäl, das legte die Autorin und Regisseurin, Ellen Esser, bereits in der Titulierung ihres Stückes fest. Komisch, weil Karin Winkler aus dem Shakespeare-Ensemble die Qual der Madame mit viel Witz und (Selbst-)Ironie auf der Bühne auslebt. Und komisch, weil die tragische Madame, die dann manchmal nur noch kindisch und lächerlich ist, sich auf ganz unerwartete Weise gegen ihr Schicksal aufbäumt.

Sie ist ja nicht wirklich allein da in Gruft. Den geliebten Vater spricht sie an um Trost, auch Freund und Feind holt sie sich in die Totenkammer, entschlüpft der eigenen Haut und spielt sich ihre Gesellschaft selbst. Wir bekommen Szenen aus ihrer Kindheit, ihren Ehen, ihren Affairen, ihrem politischen Engagement zur Zeit der Französischen Revolution zu hören, und zu sehen. Einsam monologisierend erweckt Karin Winkler dabei den Eindruck, als tobte eine ganze Schauspielcrew im Raum.

So rasant, wie sie die Rollen wechselt, so impulsiv schwankt sie auch in der eigenen Befindlichkeit. Diese Germaine de Staäl ist eben nicht nur stark oder gar unumstößlich, sie ist zugleich hysterisch, launisch, romantisch, schwach. Das macht sie glaubhaft und zeitlos. Da knallt Karin Winkler mit einer Wucht aus sich heraus, daß es richtig aufdringlich wird. Das regt auf und gleichzeitig an, weil die Madame sich auf die Art sichtbar von allem befreit, das sie auch nur annähernd irgendwie einengen könnte. In ihrem güldenen barocken Satinkleid bewegt sie sich wie in einem Sack. Und selbst diese Hülle reißt sie auf.

Eine derart expressive Frau macht natürlich vor dem Zuschauerraum nicht halt – sie greift sich auch das Publikum. Wie ein provozierendes, liebenswertes Waschweib. Oder einfach eine Frau, die mit ihren Leidenschaften ringt. Karin Winkler schafft es, anderthalb Stunden lang ein Zittern und Beben zu erhalten, das wohl ohne die Pause überhaupt keinen Bruch gehabt hätte. Silvia Plahl

Nächste Aufführung heute, 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz