"N-Joy ist langweilig"

■ "Alternativ"-Radio und Metropolen-TV: Wie Frank Otto mit schönen Worten seine Medienaktivitäten verkauft

Der Hamburger Versandhauserbe Frank Otto, gelernter Restaurator und Musiker, ist auf Medien- Expansionskurs. Seinen „Aufstieg“ zum Medienunternehmer begründete der jetzt 36jährige 1988 mit der Alleinübernahme des musikorientierten Hamburger Jugendradios OK. Seit der HipHop-Sender schwarze Zahlen schreibt, hat Otto seine Radioaktivitäten auf Kiel (delta radio) und Berlin (Kiss FM) ausgeweitet und zudem sein Herz fürs Fernsehen entdeckt. Er ist mit 19,8 Prozent an dem Musiksender Viva beteiligt und hat kürzlich die Lizenz für sein Lokal-TV-Projekt Hamburg 1 erhalten. Jetzt bewirbt er sich bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) für das Lokal-TV Kanal B. Über die Vergabe der Lizenz wird zur Zeit bei der MABB beraten.

taz: Herr Otto, was hat Sie dazu bewogen, ins Radiogeschäft einzusteigen?

Frank Otto: Als Musiker hatte ich schon immer mit den elektronischen Medien zu tun, und als der Privatfunk aufkam, bin ich mit alten Bekannten zusammengekommen, die über ein Radio nachgedacht haben. So ist mein Interesse geweckt worden. Diese Gespräche endeten mit einem Antrag für ein privates Stadtradio, an dem ich beteiligt war.

Aber Geld spielte doch die Hauptrolle?

Natürlich spielte Geld eine Rolle, damit das Projekt überhaupt finanziert werden konnte. Aber im Grunde wurden in diesen Runden auch sehr idealistische Ansätze diskutiert. Also keine reine Kommerzgeschichte, sondern das Stadtradio-Konzept als Alternative zu den bestehenden Sendern.

Inzwischen hat der NDR eine Alternative zu OK-Radio entwickelt. Sie haben einmal gesagt, Sie hätten Angst vor dieser neuen Welle und prozessieren gegen N- Joy-Radio. Wie ist der aktuelle Stand im Rechtsstreit?

Im Augenblick bin ich das Opfer eines sogenannten Hängebeschlusses, ein Begriff, der eigentlich in unserem Rechtssystem nicht vorgesehen ist. Hierdurch wird das Urteil verschleppt. Der NDR ist mit N-Joy zu kurz auf Sendung, um zu erkennen, was es für Hörerbewegungen geben wird. Ich weiß nur eines: N-Joy ist ein Plagiat von OK Radio, wobei ich sagen muß, daß es langweiliger ist. Es gibt so gut wie keine Infos und Beiträge im Programm, und auch die Nachrichten sind kürzer. Was daran intelligentes Kopfradio sein soll, ist mir nicht ganz klar.

Was reizt Sie am Fernsehen?

Viva ist für mich das Radio im Fernsehen, ein sichtbar gemachtes Hörfunkprogramm. Am Lokalfernsehen finde ich reizvoll, daß man Beziehungen zum Zuschauer herstellen kann. Da wird das Fernsehen entmystifiziert.

Wieso das?

Im Grunde ist Lokalfernsehen doch „Nahsehen“. Die Hemmschwellen gegenüber dem Medium können abgebaut werden, der einzelne wird direkt angesprochen – er kann erfahren, wie Beiträge gemacht werden, miterleben, wie ein Redakteur sein Anliegen aufgreift, alles ist nachvollziehbarer. Das Lokal-TV wird die letzte große TV- Gattung sein, die noch große Einschaltquoten bringt. Der nationale TV-Markt wird sich nach und nach zu den Special-Interest-Programmen hinbewegen.

In Berlin gibt es schon den SFB- Kanal B 1 und Schamonis IA. Wie soll sich da ein weiteres Lokal-TV rechnen?

In Berlin werden wir mit örtlichen mittelständischen Produktionsfirmen ein sehr Berlin-orientiertes Programm gestalten. Den roten Faden bilden jeweils zur vollen Stunde Berlin-Nachrichten, die zwischen fünf und 15 Minuten lang sind. Der Unterhaltungsteil des Programms wird von dem Luxemburger Zulieferer Compagnie luxembourgoise de Télédifusion (CLT, die RTL-Mutterfirma d. Red.) gestaltet, was sich natürlich erheblich kostensparend auswirken wird.

Begeben Sie sich damit nicht in eine Abhängigkeit, die Sie bislang abgelehnt haben?

Der Impuls, mit der CLT ein Syndikationsprogramm herzustellen, ist eine Maßnahme gegen eine mögliche Abhängigkeit, die sonst durch den Kauf von Filmrechten und attraktivem Filmmaterial gegenüber Leo Kirch bestanden hätte. Der Weg aus dieser Abhängigkeit war der Weg zur CLT. Durch Syndikationsmöglichkeiten wird ein neuer Wettbewerb entstehen. Die Gefahr der Abhängigkeit verringert sich durch Wettbewerb.

Aber wird Frank Otto nicht bald selbst zu einem Leo Kirch des Lokalfernsehens?

Natürlich möchte ich meine Unternehmungen ins Trockene bringen, und dazu gehört die Expansion. Aber primär interessiert mich das Produkt. Das fasziniert mich, das macht mir Spaß. Eine Unternehmensstrategie, etwa wie: „Heute sind wir eine kleine Gruppe, und morgen sind wir ein großer Konzern“, steckt nicht dahinter. Interview: Erbil Kurt