Kein normaler Tag

■ betr.: "1:0 für Rechtsaußen", taz vom 7.4.94

Tja gut, Berti (Manfredo), genau so habe ich mir die Stellungnahme eines Fußballers während der Halbzeitpause vor dem Sat-1- Mikrophon vorgestellt.

Dem ist eigentlich inhaltlich wenig hinzuzufügen. Besser hätte es auch unser aller chauvinistischer Fußball-Dumpfmeier „Loddar“ M. nicht darstellen können. Du entsinnst Dich doch noch seiner sexistischen Äußerungen den Berliner Basketballerinnen gegenüber? Ein Fußballer stellt sich eben, haut drauf, foult eher, aber weicht nicht zurück.

Das ist, wie Theweleit in seinen Männerphantasien schreibt: „Die Haltung von Mann zu Mann, und das verstehst Du nicht, „meine Liebe“. Ein Glück für uns, daß die Briten noch rechtzeitig vor dem Strafraum die Notbremse gezogen haben. Die dafür folgende Rote Karte sollten wir alle bekommen und in der notwendigen Denkpause unser Demokratieverständnis überprüfen.

Tja gut, Berti, also auch weiterhin immer an Ernst Jünger denken: „den Gegner achten, aber ihn bekämpfen, nicht als Menschen, sondern als reines Prinzip; für seine Ideale einstehen mit allen Mitteln des (Fußball)Geistes und der Gewalt bis zum Flammenwurf und zum Gasangriff“. Darüber kann man sich nur mit Männern unterhalten.

Nichts für ungut Manfredo, bist halt ein Opfer Deiner Fußballersozialisation. Heinz Uth, Berlin

Wird die Kommentarseite jetzt zum Sprachrohr von Deutschen zu deutschen Yuppies? Nach dem unsäglichen Kommentar zum Urteil des BGH zur Auschwitzlüge, der den Protest der jüdischen Gemeinde und der Sinti und Roma als Skandal bezeichnete, jetzt die Forderung nach einem normalen Fußballspiel am 20.4.

Für wen ist dieser Tag denn normal? Wenn Manfredo sich am 20.4. sicher fühlt, na fein. Und dann noch die Behauptung, vor den Nazis würde davongelaufen werden, wo doch viele Gruppen gegen die Nazis mobilisiert haben. Wer stört eigentlich Eure Normalität? Die Nazis oder die, die es abkriegen können und zu laut protestieren? Nuran Gülay, Berlin

[...] Ein „Sportfest“ ausgerechnet zu Hitlers Geburtstag, in genau dem Stadion, in dem der Welt bei den Olympischen Spielen 1936 vorgegaukelt wurde, in Deutschland sei alles in „bester Ordnung“? Ein Stadion, in dem 1938 ein englisches Fußballteam zum Entsetzen der britischen Öffentlichkeit mit dem Hitlergruß salutierte? Ich selbst bin Fußballfan, der taz ist bekannt, daß beim Bündnis gegen das Länderspiel gerade viele Fußballbegeisterte mitmachen, u.a. die Antifaschistische Fußballinitiative (Affi). Und das Spiel in Hamburg haben vor allem die St.-Pauli-Fans verhindert. Da sprecht Ihr von Fußballfeindlichkeit? [...]

Wer macht denn ständig den Kniefall vor den Rechten (durch Abschiebungen etc.)? Auf einmal stimmt Ihr in den Chor genau dieser Leute ein, daß es die Linken gewesen sein sollen? Renate Döhr, Berlin

[...] Beachtung verdient die unausgesprochene, die heimliche Botschaft des Kommentars: Berliner Senat und Berliner Fußballverband, die das Spiel – nicht zuletzt aus Prestigegründen – um jeden Preis ins Olympiastadion holen wollten, stehen in der Konsequenz als furchtlose Kämpfer gegen Rechts da. Gesellschaftliche Wirkungs- und Funktionszusammenhänge läßt der Autor so unthematisiert: Könnte es nicht sein, daß die Demonstration von Standfestigkeit gegenüber der rechten Szene auf dem Feld symbolischer Politik und Zugeständnisse an rechte Stimmungen auf den Feldern der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder auch der Sprache (von Politikern und Medien) die beiden zusammengehörigen Seiten einer Wirklichkeit sind? Und sind es nicht partiell dieselben Politiker und Parteien, die einerseits ihren Teil dazu beitragen, daß sich rechter Radikalismus wieder politisch als Macht etablieren kann, um dann andererseits – auf der Seite der Selbstdarstellung und Imageproduktion – zu fordern, die demokratische Gesellschaft müsse Flagge gegen die Rechten zeigen?

Selbstverständlich darf vor rechter Gewalt nicht kapituliert werden. Dies betrifft jedoch in erster Linie die tagtägliche Politik, die juristische Praxis, die Sprache der Medien, das Alltagsverhalten der BundesbürgerInnen. Würde die bundesdeutsche Gesellschaft in ihrem Alltag rechte Orientierungen konsequent ächten und Toleranz beweisen, dann bedürfte es großer symbolischer Gesten überhaupt nicht. Thomas Alkemeyer, Berlin

[...] Manfredo meint, es falle offenbar schwer, sich gegen den „rechten Mob“ auf die Polizei zu verlassen. Oh Himmel, wo lebt er denn? Hat ihn Hoyerswerda und Rostock so überzeugt? Wie steht es denn mit dem Aufmarsch der Nazis am 1. Mai 1993 in Lichtenberg? Ist der etwa verhindert worden durch eine wehrhafte Demokratie? Oder genügt es Manfredo schon, wenn „kein Krawall“ stattfindet, die Polizei die linken Gegendemonstranten einsackt und die FAP-Demo sichert? Mal ehrlich, wie hätte denn die von Manfredo beschworene Normalität am 20.4. ausgesehen? Ein polizeilich gesichertes Olympiastadion, keine Massenschlägerei in der Innenstadt. Dafür ein paar brennende Asylbewerberwohnheime oder linke Jugendklubs in den Vorstädten, der eine oder andere Ausländer oder schwarze Deutsche wäre ein bißchen aus der U-Bahn geworfen worden – aber das gehört ja sowieso schon zu unserem Alltag, was?

Glaubt Ihr im Ernst, die Polizei wäre bei verbotenen Reichskriegsflaggen, Hitlergruß und massenhaftem „Ausländer raus!“-Gegröle eingeschritten?

Manfredo beklagt die mangelhafte Normalität auch an anderen Nazifeiertagen. Als wenn Übergriffe am 20.4., Naziaufmärsche am Todestag von Heß oder Anschläge zur Reichspogromnacht nicht längst Alltag wären. Ist Wunsiedel/ Fulda die Normalität, von der er träumt? Nazis und Linke fein getrennt, die Nazis demonstrieren in der Stadt, die Linken sitzen auf der Autobahn. Kein Krawall, Ruhe und Ordnung?

Wann werden Autoren wie Manfredo endlich begreifen, daß das Spiel am 20.4. vom Senat keine antifaschistische Seite war, kein Zeichen aktiven Auftretens gegen Rechts. Dazu hätte er früher genug Gelegenheit gehabt, ohne es zu tun. Änderung des Grundgesetzes bei Krawallen gegen Einwanderer und Flüchtlinge – ja. Fußballspielabsage – nein! Und warum? Weil eine deutsche Normalität demonstriert werden soll, die es vielleicht vor der Liveübertragung in der Glotze sitzend gibt, in der übrigen Realität aber längst nicht mehr. Dieses Spiel hätte der Senat benutzt, um zu zeigen, daß er offene Krawalle, Massenschlägereien verhindern kann. Naziaufmärsche und Übergriffe zählen da nicht. A. Heinz, Berlin