Italiens Rechte will die ganze Macht

Heute konstituiert sich das neugewählte Parlament / Nicht einmal Kommissionsvorsitze an die Opposition? / „Liga“-Führer Bossi spielt den großen Schweiger / Streit geht weiter  ■ Aus Rom Werner Raith

Fest steht bisher nur ein einziges Datum: das heutige. Da wird in Italiens beiden Parlamentskammern – dem Senat und dem Abgeordnetenhaus – die konstituierende Sitzung stattfinden, auf der nur ein einziger Tagesordnungspunkt verzeichnet ist, die Wahl des Präsidiums der beiden hohen Institutionen.

Wer es wird, ist bis zuletzt unklar geblieben: Obwohl der Führer des Rechts-Pools, Silvio Berlusconi, sich am Mittwoch abend bereits zum dritten Mal mit Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro getroffen hat und die Delegationen der vier Komponenten der siegreichen Allianz diverse Treffen abhielten (allerdings noch mehr im letzten Augenblick wieder absagten), beharrten bis zuletzt die norditalienischen „Ligen“ als größte Fraktion des Abgeordnetenhauses auf ihrem Kandidaten Speroni, während Berlusconi den Mailänder Juristen Alfredo Biondi bevorzugt, einen ehemaligen Liberalen.

Im Senat, wo der Rechten drei Stimmen zur notwendigen absoluten Mehrheit fehlen, versuchen die acht Oppositionsgruppen zumindest einen nicht allzu stark mit den neuen Regierungsparteien verbandelten Kandidaten durchzusetzen – am liebsten den bisherigen Präsidenten Giovanni Spadolini, einen Oldtimer aus der zerfallenen industrienahen Republikanischen Partei. Den würde Berlusconi zwar akzeptieren, doch die Ligen wollen nicht mitziehen und lieber den Mailänder Juristen Scognamiglio wählen: „Die Linksopposition hat derlei früher immer mit der Regierung ausgemauschelt“, sagt Fraktionschef Speroni, „aber genau diesen Typus der ,konsoziativen Demokratie‘ wollen wir ja abschaffen.“

Vielleicht nicht nur den „Konsoziativismus“, auf deutsch Parteienfilz, sondern auch etwas Demokratie? Jedenfalls fallen immer mehr Italiener derzeit aus allen Wolken, wenn sie sehen, welchen Machtanspruch die Rechte über die rein ministeriellen Ämter stellt: So wollen sie, nach Verlautbarungen der Neofaschisten und der Ligen, auch den Vorsitz aller Parlamentsausschüsse – gerade das, was nach dem übereinstimmenden Verständnis aller Demokratietheoretiker nahezu automatisch den Oppositionsparteien zufallen sollte, um eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Regierungstätigkeit zu gewährleisten.

Möglicherweise sind aber auch alle Spekulationen umsonst. Derjenige, auf den es letztlich ankommt, hüllt sich derzeit in Schweigen: Umberto Bossi, Chef der Ligen und anerkanntermaßen ausschlaggebender Königsmacher. Die ungewohnte Stille des sonst so lautstarken Mailänders tut ihre Wirkung: Berlusconi, der zu Anfang der Verhandlungen schon Ministerlisten hatte kursieren lassen und von Bossi danach als Großsprecher hingestellt wurde, brummelt derzeit nur noch Sätze wie „Die Einigung ist greifbar nahe.“ Ganz so nahe doch auch wieder nicht: Liga-Vize Speroni hat jedenfalls schon erklärt, daß mit der endgültigen Bestellung der Kammerpräsidenten erst am Samstag nachmittag zu rechnen sei– frühestens.

Und erst recht hat Staatspräsident Scalfaro noch niemandem den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Die gesamte Regierung Ciampi muß deshalb weiteramtieren, Rücktrittsgesuche von Ministern wurden bislang abgelehnt.