Mehr als ein Hauch von Luxus

■ Ob Reihenhaus, Ein-Zimmer-Butze oder luxussanierter Altbau - innerhalb von zehn Jahren ist Wohnen durchschnittlich um 71 Prozent teurer geworden

Kaum ein Problem brennt den arrivierten Mittdreißigern so unter den Nägeln wie das Wohnen. Noch vor zehn Jahren kamen sie in der Regel mit ähnlich eingerichteten WG-Zimmern aus, deren Türen offen standen, und in denen sich der Zeitgeist neben gefüllten Aschenbechern auf schwarzen Futons räkelte. Heute sind die eigenen vier Wände für die dynamischen Jungakademiker zum Lebensziel geworden.

Die Wohngemeinschaft hatte nach Möglichkeit in den entsprechenden Vierteln zu liegen - am besten einen Steinwurf von der „Roten Flora“ und dem „Olympischen Feuer“ entfernt. Wer, wenn das Vordiplom nahte, immer noch nur in Bramfeld oder Norderstedt untergekommen war, hatte keinen Anspruch auf Besuch.

Inzwischen haben sich die Ge-Wohnheiten geändert. Haus und Garten dürfen gern etwas weiter draußen liegen. Bei dem run auf die letzten ansprechenden Altbauquartiere in der Stadt haben die Mittdreißiger mit den gesunden Kontoständen die Nase vorn. Etwa die Jungfilmerin Corinna Bohl und ihr Freund Thomas Zacharias, Möbeldesigner. Sie haben sich auf der selben Etage eines Jugendstilhauses in Uhlenhorst zwei nebeneinanderliegende Eigentumswohnungen gekauft. Gemeinsamer Putzplan? Nähe und Distanz in der Zweierbeziehung? Diese und andere Krisenherde haben die beiden mit der exklusiven Wohnform schon im Ansatz aus der Welt geschafft. Jeder hat einen Schlüssel für die Wohnung des anderen, nutzt diese Eintrittskarte aber lediglich nach vorheriger telefonischer Anmeldung.

Paare mit kleinen Kindern bevorzugen das Reihenhaus. In den verkehrsberuhigten, rotgeklinkerten Neubauanlagen für Jungfamilien gleichen sich die Unterkünfte wie ein Ei dem anderen: Überall stehen Kombis vor der Tür, die Kinder (und die Hunde) zuerst auf den Namensschildern neben den Klingelknöpfen und die hölzernen Schaukelgerüste im Vorgarten. Nach der Anschaffung eines solchen Heims bleibt für die Einrichtung oft finanziell nichts mehr übrig. Vielleicht lassen sich im Freihafen nachts ein paar Apfelsinenkisten abzweigen, mag sich manch ein Elterpaar beim Einschlafen überlegen.

Steigende Einkommen haben überall wachsende Ansprüche an die Größe, Lage und Ausstattung der Wohnung nach sich gezogen. Während der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch in der Republik bei 37 Quadratmetern pro Person liegt, würden die beruflich sicher im Sattel sitzenden Jungakademiker ihr Bett niemals in ein solches Mauseloch stellen. Nur in einem Punkt sind Wohlsituierte und Einkommensschwache gleich arm dran: Sie müssen ein Drittel bis die Hälfte ihres Geldes für die Fütterung von Zinshaien und Vermietern ausgeben. Im Zeitraum von 1981 bis 1991 ist das Wohnen durchschnittlich um 71 Prozent teurer geworden.

Die Anglistin Britta Behrend und der Taxifahrer Tom Schahl sind deshalb ihrer ersten gemeinsamen Bleibe treu geblieben. Die Einzimmerwohnung hat gerademal 35 Quadratmeter, eine kleine Küchenzeile und ein Klo auf halber Treppe. Mit den Nachbarn in dem alten Hinterhaus am Grindel sind sie bestens bekannt und hegen keinerlei Pläne, sich „umtopfen“ zu lassen.

Paula Roosen