■ Normalzeit
: Hemmungslos

Günter Rexrodt, Axel Nawrocki und Knut Herbst: Die drei sind nicht von der Tankstelle, sondern aus der Treuhand-Anstalt und zugleich Hoffnungsträger der drei großen Bonner Parteien: Yuppie-Manager in Rheinkultur, die sich über AFN und Harvard-Stipendien vor allem ästhetisch vom Berlin Dream Man (Reuter, Brandt, Stobbe etc.) wegamerikanisiert haben, auch sprachlich: FDP- Rexrodt bei Ministerantritt auf die Frage, wie er vorzugehen denke: „Step by step“; CDU- Nawrocki zum Vorwurf der gezielten Aktenvernichtung: „Das sind doch nur Peanuts!“; SPD- Knut Herbst auf einer Tagung über die Entscheidungsfindung beim „Development“ des Spreeknies: „Am Round Table geht das nicht, no!“

In derselben Betriebsräte- Diskussion beschwerte sich übrigens ein Betriebsrat über einen Treuhand-Manager, zu dem er zum Gespräch bestellt worden war: „Als ich zu ihm ins Zimmer kam, saß der an seinem Schreibtisch und hatte die Füße hochgelegt. ,Da staunst du was‘, sagte er, ,diese lockere amerikanische Art kanntet ihr in der DDR nicht...‘“ Der vor allem über das Geduztwerden erstaunte Betriebsrat duzte schlagfertig zurück. Solch Kumpelhaftigkeit verbat sich der Treuhand-Manager jedoch entschieden – und nahm dabei die Füße vom Tisch.

Nawrocki hat aber jetzt den Bogen überspannt – wo der Boom ausgeblieben ist, ebenso die Olympia-Entscheidung für Berlin, und sich statt dessen eine schon vor längerer Zeit prognostizierte „Polonisierung“ durchgesetzt hat, also eher eine schleppende Ansiedlung kleinerer Klitschen auf niedrigem Lohnniveau als die quickurbane Vernetzung hochmoderner Dienstleistungs-Zentner mit ausgewachsenen Topmanagern etwa. Und unsere derzeitige Stadtregierung ist für diesen Paradigmenwechsel die beste Outplacement-Agentur. Als solche drängte sie dann der S-Bahn auch Nawrocki als Marketing- Geschäftsführer geradezu auf: Ausgerechnet!

Unlängst fand innerhalb des „Stadtforums“ ein Kongreß über den öffentlichen Nahverkehr statt. Auf diesem kam auch der Züricher Verkehrsmanager zu Wort. Nie würde man in Zürich Werbung auf die Züge klatschen: „Das blockiert die Identifikation mit ihnen, daß sie dem Bürger gehören, daß er sie annimmt!“ Und das muß sein: „Denn sonst kriegen wir weder die Innenstadt autoentlastet, noch genug Benutzer, und die Vandalismus-Rate steigt auch...“

Versteht man nun, warum so einer wie Nawrocki Marketing- Chef bei der (Ost-) S-Bahn wird? Mit amerikanischem Know-how (ein Lieblingswort übrigens von Nawrocki, Rexrodt und Knut Herbst) soll der Traum der alten Frontstadtschweine, nicht selten Stalingradkämpfer (wenn z.B. die Geschäftsführung des Großbäckers und KoKo-Partners Schiesser zusammenkommt, ist von „oberster Heeresleitung“ die Rede) verwirklicht werden: Die gute Klasse fährt mit Auto in die City-Hotspots (Ku'damm und Alex), die dumpfen Massen werden irgendwie auf Schienen verschoben, und vor Randalen werden Mensch und Material von Sicherheitskräften geschützt.

Apropos: Mit Nawrocki werden mit Sicherheit die „Schmierereien“ und Zerstörungen an den S-Bahnen enorm zunehmen. Ganz so wie sich die Anti- Olympia-Bewegung in Berlin immer mehr auf Nawrocki konzentrierte, wird sich das juvenile S-Bahn-Zerstörungspotential zunehmend von Marketing- Chef Nawrocki motiviert fühlen. Dieser gänzlich unsportliche Mensch verkörpert einfach die anfangs noch durchaus erfrischend-antimoralische Hemmungslosigkeit (die „nicht-bejahende Affirmation“, um im Jargon zu bleiben) zu stumpfsinnig, sie ist genaugenommen seine „Message“. Helmut Höge

Wird fortgesetzt