Wand und Boden
: Ein Geschenk an die Stadt

■ Kunst in Berlin jetzt: Wool, Merz, Sera, Perino, Mihaltianu

Obwohl kaum Überlagerungen und Schnittmengen sichtbar werden, haben die Bilder von Christopher Wool den Rausch jener Tiefe, die zugleich nur Oberfläche ist. Immer noch läßt Jackson Pollock grüßen. Mit schwarzer und weißer Emaille aus dem Hobbyladen schichtet Wool durch spezielle Siebe gedruckte, hauchdünne Farblagen auf, in denen sich einfache Blumenmuster recht emotionslos wiederholen. Spannung ohne Ausdruck, nur stärker am Material orientiert. Darin deutet Wool zumindest an, das sich Malerei ihres Warencharakters bewußtwerden kann, ohne es beim Verweis auf die Alltäglichkeit zu belassen. Eher liegt das wieder und wieder gerasterte Bild im Clinch mit seiner Fixierbarkeit. An manchen Stellen ist die Haut so dünn grau wie eine Fotokopie, dann zieht sich das Schwarz in der nächsten Schicht schlierenhaft über die Aluminiumplatten, auf denen Wool arbeitet. Je weitschweifiger die Farbe verläuft, desto klarer bändigt sie das Motiv aus Blumenornamenten. Wool konterkariert den Wunsch nach einem wilden Automatismus des action painting, indem er dessen Spielereien im Malerbaukasten wiederholt.

Dog Day Dream Away, bis 7.5., Mo-Fr 10-18.30, Sa 11-18 Uhr, Bruno Brunnet Fine Arts, Wilmersdorfer Straße 60/61.

Was im Schauraum der neuen Dependance der Kölner Galerie Max Hetzler mit großer Geste daherkommt, muß wohl als ein Geschenk an die Stadt verstanden werden. Gerhard Merz hat Hetzler zwei Wände aus irgendeinem teuren italienischen Stein in die Fabriketage gebaut, und die Zusatzmauer mit einem mürrischen Titel abmoderiert: „Berlin, Travertin Romano Classico, 2x (300 x 240 x 900 cm), 1993“. Ein Stein erzählt seine Geschichte, in der sich auch ein wenig das Dilemma der älteren Generation an Konzeptkünstlern widerspiegelt. Das Denken hat sich ins Erhabene verflüchtigt, ist aber dort nicht aufgehoben, sondern durch Material ersetzt worden. Damit hat sich's auch schon ausgesagt. Daß die beiden Mauern ein wenig länger, breiter, höher wirken, mag an der Sogkraft der porösen, weißlich schimmernden Klötze liegen oder an einer zweiten Arbeit aus 320 Lumilux-Neonröhren, deren Leuchtstärke den gesamten Raum zusammenzieht.

Als feste Installation, Di-Sa 11-18 Uhr, Schillerstraße 94.

Auch X '94 zieht sich in die Länge, die Endlosschleife hipper Jugendkultur im Offenen Kanal ähnelt immer mehr einem Standbild. So stehen die Installationen von Giò di Sera und Cornelius Perino ein bißchen zielgruppenverloren in der Wewerka-Galerie und müssen die Kluft zwischen South Central, Kreuzberg und dem angrenzenden Kulturforum samt Sony-Baugrube aussitzen. Di Seras sakrale Zeichencollage mit HipHop- und Ghetto-Nippes sieht an der weißen Wand blasser aus als in der Naunynritze, und seine beiden Fotoportraits im pop-artig überarbeiteten Rahmen verharren in jener starren Pose des Outlaws mit Knarre, deren Hintergründe der Italiener sonst sehr viel zielstrebiger offenlegt. Cornelius Perinos Installationen, die sich mittels eines Stromabnehmers bewegen, nutzen zwar das Publikum als Auslöser, doch klammern sie die Energiequelle dabei aus. Wer auf dem dafür vorgesehenen Teppichstück steht, sieht den Pegel auf dem Potentiometer ausschlagen und bemalte Graffiti-Rollen rotieren. Auch eine Art Leerlauf, nur bunter.

Bis 23.4., Mo-Fr 15-19, Sa 11-15 Uhr, Potsdamer Straße 55.

Ein schönes Bild: Alle Erinnerungen einer persönlichen Geschichte sollen mit der offiziellen Geschichtsschreibung in einer zersplitterten Situation zusammenfallen, während man sich immer nur zwischen den Dingen bewegen kann. So das Publikum, so der Künstler. Dan Mihaltianu wurde 1954 in Rumänien geboren. Sein Vater war noch Student, der Winter hart; es herrschte Hungersnot, und sein Opa brannte Schnaps. Entsprechend sind die Objekte im Künstlerhaus Bethanien an eine kurze, recht unmetaphorische Kette gelegt. Der Winter wird in einem gläsernen Kühlschrank rekonstruiert, den Hunger symbolisieren eine Büchse Walfleisch und eingelegte Wassermelonen. Weil die hygienische Versorgung darniederlag, mußte mit Pestiziden gegen Körperläuse vorgegangen werden. Daran erinnert ein Häuflein DDT, an dem man nicht schnuppern sollte. Den Alkohol indes brennt Mihaltianu in der Tradition des Großvaters ganz real für die Finissage am 1.Mai, bei der wiederum der Geschichte zugeprostet werden darf. Alles bleibt im Prozeß: Pflaumen dünsten in einem Kupferkessel, ein schmales Rohr führt ins Kühlbecken, unten läuft Klarer in braune Flaschen. Vage erkennt man eine Verwandtschaft zu Joseph Beuys, doch es riecht interessanter als im Kasseler documenta-Rondell mit Honigpumpe. Und Kunst ist dem Rumänen nicht gleich Kapital, sondern Bild für die Geschichten, die er unter dem Ceaușescu- Regime nicht erzählen durfte.

Di-So 14-19 Uhr, Mariannenplatz 2. Harald Fricke